Zeit des Zorn
und an einem Joint zieht. »Guck dir den Erdball an und vergleich
ihn mit dem menschlichen Körper. Die nördliche Hemisphäre ist der Kopf, das
Gehirn, das Zentrum der Denkfähigkeit, der Philosophie und des Über-Ich. Die
südliche Hemisphäre befindet sich weiter unten, in der Nähe der Geschlechtsteile
und des Anus - damit machen wir die ganzen schmutzigen, beschämenden Sachen,
die dem Es so viel Spaß machen. Und wo werden die meisten unerlaubten - überleg
dir das mal, B, >unerlaubt< - Drogen produziert? Im Schwanz, der Vagina,
dem Arschloch, d. h. der südlichen Hemisphäre.«
»Aber wo«, wendet Ben
ein, »werden die meisten dieser Drogen konsumiert? In der verkopften, moralisch
einwandfreien Region des Über-Ich.«
»Genau«, erwidert Chon.
»Deshalb brauchen wir Drogen.«
Ben denkt laaaaaaaange
darüber nach, dann:
»Du behauptest also«,
sagt er, »wenn wir alle ordentlich scheißen und möglichst viel ficken würden,
gäbe es keinen Drogenmissbrauch.«
»Und«, setzt Chon hinzu,
»keinen Krieg.«
»Wir wären beide
arbeitslos.«
»Okay.«
Sie lachen sich schlapp.
Stan
und Diane haben sich nie gefragt, und fragen sich bis heute nicht, womit ihr
Junge eigentlich reich geworden ist. Das ist aber auch das Einzige, was sie nie
hinterfragt haben oder analysieren wollten. An einer Erklärung darüber, wie es
kommt, dass sich ein Fünfundzwanzigjähriger ein Vier-Millionen-Dollar-Haus auf
Table Rock leisten kann, sind sie nicht interessiert. Sie sind stolz auf ihn.
Nicht deshalb, sondern
wegen seines sozialen Bewusstseins.
Seines sozialen
Gewissens. Und Pflichtgefühls.
Seines Engagements in der
Dritten Welt.
Das
auch (irgendwie) erklärt, wo sich Ben heute befindet.
Okay, Chon weiß nicht so
genau, wo sich Ben gerade befindet, was ihn ein kleines bisschen beunruhigt,
da abgetrennte Köpfe durch die Blogosphäre geistern, aber ...
... der Junge neigt dazu,
sich um anderer Leute Angelegenheiten intensiver zu kümmern als um sich
selbst. Ben hat das, was man ein soziales Gewissen nennt. Er ist ein sehr
bewusster, progressiver Typ. Chon gefällt das an ihm, aber ...
... der Alte verschwindet
manchmal für Monate, weil er irgendwen vor irgendwas retten muss. Im Sudan baut
er Brunnen, um die Cholera zu stoppen, er bringt Moskitonetze nach Sambia, um
Kinder vor der Malaria zu schützen, und er entsendet Beobachter, um zu
verhindern, dass die Armee in Myanmar die Karen abschlachtet.
Ben verteilt seinen
Reichtum.
Man kann es nennen, wie
man will
Die Ben Foundation
Das Hydro-Institut
Dope befreit
Green is Good
Chon will ihn davon
überzeugen, dass er einfach nur das Geld losschicken und die Kohle für sich
selbst arbeiten lassen muss, damit er selbst dableiben und sich um die
Geschäfte kümmern kann, aber Ben gehört zur zupackenden Sorte. Geld ist nicht
genug, sagt er, man muss mit dem Herzen, mit Leib und Seele dabei sein. Ben
lässt nicht nur seinen Worten Taten folgen, sondern folgt ständig auch seinen
Taten/seinem Geld, und deshalb ...
...
schlägt er alle paar Monate zu Hause auf, in Table Rock, mit der Ruhr ...
... mit Malaria und/oder
...
...
Dritte-Welt-Herzschmerz ...
(den Chon gut kennt)
... dann schleppen ihn
Chon und O zu den besten Ärzten bei
Scripps Health und päppeln ihn wieder auf, bis er einen neuen guten Zweck
findet und dann ...
geht's wieder rund.
Er zieht los, um die
Kinder mit den dürren Ärmchen, den großen Augen und den aufgeblähten Bäuchen zu
retten.
Jetzt erzählt ihm Chon
von der E-Mail und dass es zu Hause Probleme gibt. Er leitet ihm das Video
weiter, nicht um Ben zu verletzen (er hasst es, Ben zu verletzen), sondern weil
Ben wissen muss, dass hier die Kacke übelst am Dampfen ist.
Weil aus Menschen
PEZ-Spender gemacht werden.
Bens
körperloser Kopf
Treibt
im Äther.
Skype.
Verschwommener
Hintergrund, davor sein klar konturiertes Gesicht.
Ungekämmtes braunes Haar.
Braune
Augen. Nicht ganz lippensynchron, um den Bruchteil einer Sekunde verzögert,
sagt er:
»Okay, ich komme nach
Hause.«
O freut sich
Dass Ben wiederkommt.
Ben, die andere
Buchstütze
Die beiden Männer - Ben
und Chon -
Die ihr in ihrem Leben
etwas bedeuten.
Die beiden einzigen.
Ben ist warmes Holz, Chon
ist kaltes Metall
Ben ist fürsorglich, Chon
gleichgültig
Ben macht Liebe, Chon
fickt.
Sie liebt sie beide.
Was soll sie bloß machen?
Als O an
jenem Morgen aufsteht (okay, Nachmittag), guckt sie aus dem Fenster und sieht
eine große Frau mit
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