Zeit des Zorn
die
Pflanzensubstanz Tetrahydrocannabinol, oder auch Delta-9-Tetrahydrocannabinol.
Außer Ben und Chon muss
diesen Scheiß eigentlich keiner wissen, aber um Ben & Chonny's zu
verstehen, muss man sich klarmachen, dass Cannabis Indica - mehr CBD, weniger THC - ein
schläfriges, schweres und beruhigendes High verursacht. Cannabis Sativa - mehr THC, weniger CBD -
bringt Gehirn und Genitalien in Schwung.
Oder in Energie
ausgedrückt:
Indica =
Energieflaute. Man lässt sich aufs Sofa fallen und schläft vor dem Fernseher
ein, egal was gerade läuft, weil umschalten viel zu anstrengend wäre.
Sativa = Energieschub.
Man vögelt sich auf dem Sofa um den Verstand und erfindet anschließend ein
Perpetuum Mo bile (oder versucht es zumindest), während man
gleichzeitig das Wohnzimmer neu streicht.
So wie Weinkenner
stundenlang von diesem Merlot oder jenem Beaujolais aus dieser oder jener
beschissenen Traube schwadronieren, so begeistern sich Stoner für die unterschiedlichen
Sorten Indica und Sativa - für den Geschmack, das
Aroma, aber vor allem für die Wirkung. Und die auf den individuellen Geschmack
perfekt abgestimmte Mischung aus Indica und Sativa zu finden, ist die Kunst
eines meisterhaften Erzeugers.
Und so wie erstklassiger
Wein bei der Traube beginnt, so beginnt erstklassiges Gras mit dem Samen.
Nämlich mit White Widow.
Das aus White Widow
gewonnene Cannabis ist das stärkste der Welt. Die Knospen dieser Züchtung
enthalten fünfundzwanzig Prozent THC - das gute alte Delta 9 spritzt nur so
raus.
Teuer, schwer zu
bekommen, schwierig im Anbau und Auf jeden Fall den Aufwand wert.
Von seinem letzten
Ausflug nach Afghanistan kam Chon also zurück mit
Einem besonders schlimmen
Fall von FPTBS
Einer Burka für O (für
besondere Anlässe)
Und einem Packen
White-Widow-Samen.
Ben
White-Widow-Samen mitzubringen, war so, als würde man Michelangelo ein paar
Pinsel in die Hand drücken, ein weißes Deckengewölbe zur Verfügung stellen und
sagen ...
Leg los, Alter.
Ben nahm die
White-Widow-Samen und züchtete so lange daran herum, bis sie noch stärker waren. George
Washington Ben Carver erzeugte einen Frankensteinsamen, einen mutierten
X-Men-Samen, einen genetischen Freak von einem Samen.
Dabei heraus kam eine Pflanze,
die fast aufstehen, herumlaufen, sich ein Feuerzeug schnappen und sich selbst
hätte wegrauchen können - während sie nebenher Wittgenstein las, sich ernsthaft
über den Sinn des Lebens unterhielt, an einer Fernsehserie für HBO mitschrieb
und Frieden in Nahost schuf (»die Israelis und die Palästinenser sollten in
Paralleluniversen leben, sich denselben Raum, aber nicht dieselbe Zeit
teilen«). Es braucht schon einen starken Mann - oder O nicht
zu vergessen, eine starke Frau -, um mehr als einen Zug Ultra-White-Widow zu
nehmen.
Auf dieser Grundlage
stellte Ben verschiedene Mischungen aus Indica und Sativa her, alle unglaublich
stark, die er individuell auf seine Kunden abstimmte. Und Kunden gab es immer
mehr, nachdem sich die frohe Botschaft erst mal herumgesprochen hatte. Egal,
wie man sich fühlen oder nicht fühlen wollte, Ben und Chon hatten das passende
Dope dafür.
Erst eins, dann fünf,
dann zehn, dann dreißig Gewächshäuser, in denen allesamt erstklassiges Gras
gedieh.
Sie wurden beinahe so was
wie Kultfiguren.
Ihre Anhänger waren ihnen
derart loyal ergeben, dass sie sich sogar einen Namen gaben.
The Church of the Lighter
Day Saints.
Wenn's um den sogenannten
»War on Drugs« geht, ist Ben bekennender Pazifist.
Einer, der aus
Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigert, aber gar kein Gewissen hat.
Er will einfach nur nicht
mitmachen.
»Für einen Kampf braucht
es immer zwei«, sagt er, »und ich kämpfe nicht.«
Außerdem glaubt er
sowieso nicht, dass da ein Krieg gegen Drogen gefahren wird.
»Die führen bloß Krieg
gegen Drogen, die von Menschen nicht-weißer Hautfarbe produziert und/oder
konsumiert werden«, so viel lässt Ben gelten.
Weiße Drogen - Alkohol,
Tabak, Arzneimittel: Wer genug davon verdealt, darf zur Belohnung im Lincoln
Bedroom übernachten. Schwarze Drogen, braune Drogen, gelbe Drogen - Heroin, Crack, Marihuana: Wer damit erwischt wird, wacht am darauffolgenden Morgen in einer
Zelle auf.
Chon ist anderer Meinung.
Er glaubt, das hat weniger mit Rassismus als mit Freud zu tun. Er denkt, das
liegt an der analen/genitalen Scham.
»Es geht um Hemisphären«,
sagt Chon an einem wunderschönen Tag in Kalifornien, als er bei Ben auf der
Terrasse steht
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