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Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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fünf Tage die Woche von neun bis halb sieben, und wenn ich abends heimkomme, sieht es in der Wohnung aus wie in einem Saustall. Ich koche, räume auf, mache die Wäsche. Und du bist nicht einmal dazu in der Lage, eine Glühbirne auszutauschen.“
    In der Küche begann Paul, zu protestieren. Ohne Sams Antwort abzuwarten, ging ich zu dem Kleinen, befreite ihn aus seiner Zwangslage und setzte ihn mir auf den Hüftknochen. Als ich zurückkam, tippte Sam etwas in sein Handy ein.
    „Was machst du?“ Wieder dieser anklagende Unterton. Hatte ich nicht vor einigen Monaten noch mit säuselnder Babystimme auf ihn eingeredet?
    „Monika hat mir geschrieben.“ Er klang erfreut.
    „Monika? Meine Kollegin? Warum das denn?“ Ich war misstrauisch. Sam und sie hatten sich auf dem letzten Sommerfest des Senders kennen gelernt. Aber dass sie Nummern ausgetauscht hatten, war mir neu.
    „Sie wird einen Vortrag über die Gefahren von Castingshows an meiner Schule halten.“ Ohne aufzuschauen, tippte er weiter auf dem Display herum.
    „Monika?“ Ich hörte wohl nicht recht. „Du hast Monika gefragt, ob sie an deine Schule kommt, um über Castingshows zu berichten?“
    „Hab ich dir das nicht gesagt?“
    „Nein. Warum zum Teufel hast du gerade sie darum gebeten?“
    „Ich habe ihr auf eurem Sommerfest erzählt, dass vor allem Jugendlichen aus ärmeren Familien Shows wie „DSDS“ als ein Sprungbrett ansehen, und sie hat mir angeboten, mit ihnen darüber zu reden, wie es hinter den Kulissen abläuft.“
    „Und warum hast du mich nicht gefragt? Wir wohnen schließlich zusammen“, sagte ich so neutral, wie es mir trotz meiner überlaufenden Galle möglich war.
    „Was willst du denn noch alles machen? Du gehst 40 Stunden in der Woche arbeiten und hast ein kleines Kind, um das du dich sowieso viel zu wenig kümmerst.“
    Mir platzte der Kragen. Ich und mein Job. Immer die gleiche Leier. Dabei arbeitete ich nicht aus Spaß Vollzeit, sondern weil Sams kümmerliches Referendargehalt nicht ausreichte, unsere Miete zu bezahlen. Auch ich wäre lieber schon um zwei zu Hause und könnte mit Paul im Englischen Garten oder in der Stadt herumbummeln, anstatt von früh bis spät in einem fensterlosen Großraumbüro zu sitzen und Paul mit seinen knapp neun Monaten bereits den ganzen Tag von anderen Leuten betreuen zu lassen.
    Wütend giftete ich ihn an: „Wenn du denkst, dass Paul so stark vernachlässigt wird, warum fährst du nicht nach deinem anstrengenden Sechs–Stunden-Tag zum Sender raus und holst ihn früher aus der Krippe ab?“
    „Und wann sollte ich bitte meine Schulvorbereitungen machen?“ Sam sah mich mit unbewegter Miene an. Ich hasste diesen Gesichtsausdruck. „Wenn du nach Hause kommst, bist du mit der Arbeit fertig. Wenn ich nach Hause komme, liegt das meiste noch vor mir.“
    „Oh! Entschuldigung! Es ist natürlich nicht möglich, eine Stunde über das Eichhörnchen zu konzipieren, wenn ein kleines Kind neben dir sitzt. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, deine Schulvorbereitungen abends zu erledigen?“
    „Wie du bestimmt gemerkt hast, mache ich einen Großteil davon erst, wenn Paul im Bett ist.“
    „Ja, weil du schlafen musst, wenn du von der Schule kommst und danach Volleyball spielst oder in den Biergarten gehst.“
    „Ich gehe nur zweimal in der Woche zum Training. Und weißt du, wie lange ich nicht mehr im Biergarten war?“
    „Bestimmt nicht so lange wie ich.“ Ich seufzte. „Lassen wir das. Ich will mich nicht streiten. Aber trotzdem … Warum hast du mich nicht gefragt? Ich bin schon viel länger in dem Geschäft als sie und habe viel …“
    „Das hast du von deinem Vater geerbt“, unterbrach mich Sam gereizt.
    „Was?“, fragte ich.
    „Den krankhaften Ehrgeiz, in allem besser zu sein als andere“, antwortete er.
    „Das stimmt überhaupt nicht“, entgegnete ich wütend. „Wirf mir das nicht vor! Und außerdem geht es mir auf die Nerven, dass du ständig über meinen Vater lästerst.“
    „Tut mir leid. Aber welcher andere Vater misst die Qualität seiner Schwiegersöhne schon daran, wer bei einer Bergtour NACH ihm als Erster ins Ziel kommt? Er hält mir heute noch vor, dass Torsten bei unserer Wanderung durch die Partnachklamm die Hütte vor mir erreicht hat.“
    Ich drehte mich wortlos um und ging mit Paul auf dem Arm zurück in die Küche. Dieses Gespräch war grotesk! Und ich musste erst einmal damit fertigwerden, dass Monika, die mir diesen absolut beschissenen Tag beschert hatte,

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