Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
Vom Netzwerk:
Kamera auszustellen.
    „Ist etwas mit dir?“, fragte sie.
    „Nein, nein“, winkte ich ab. „Alles in Ordnung. Der Gürtel ist zu eng.“
    Meike nickte. „Zieh das Ding aus. Frank wird ab jetzt nur noch deinen Oberkörper filmen. Fang noch einmal ab der Stelle an, an der du dieses schreckliche Kleid als Ikea-Bettdecke bezeichnest hast.“
    Frank brachte die Kamera erneut in Position, ich riss mir den Gürtel herunter und machte tapfer weiter. Doch das beklemmende Gefühl in Kopf und Brust wurde stärker statt schwächer. Ich spürte, wie Schweiß auf meine Stirn trat, und wollte Meike gerade darum bitten, mich noch einmal abzupudern, als die Geräusche um mich herum diffuser wurden, mein Blickfeld sich zu einem schmalen Tunnel verengte. Panik stieg in mir auf. Schlimmer noch als zwei Tage zuvor auf Lillys Hochzeit. Ich würde in Ohnmacht fallen! Dieses Mal war es so weit. Verzweifelt schüttelte ich den Kopf, um den drohenden Bewusstseinsverlust abzuwenden, kniff meine Augen zusammen und öffnete sie, als mein Herz auf einmal rasend schnell und laut zu schlagen begann. Alle Geräusche um mich herum verstummten, ich hörte nur noch meinen hämmernden Herzschlag, fühlte ihn in meinem Kopf, in meiner Brust, in meinem Bauch, überall. Ich konnte kaum noch atmen, in meinen Hände kribbelte es und in mir keimte eine schreckliche Erkenntnis auf: Ich würde nicht in Ohnmacht fallen. Ich würde sterben. Hier und jetzt. Vor laufender Kamera. So war das also. Ich hatte einen Herzinfarkt, eine Gehirnblutung, irgendetwas, das mich unaufhörlich nach unten zog. Verzweifelt wehrte ich mich, aber je mehr ich dagegen ankämpfte, desto stärker riss es mich mit sich fort. Vor einem halben Jahr hatte ich mir manchmal gewünscht, tot umzufallen. Aber doch nicht jetzt!
    „Paul!“, dachte ich. „Er ist noch so klein.“ Dieser Gedanke gab mir Auftrieb.
    „Bin gleich zurück“, presste ich hervor und rannte taumelnd die wenigen Meter in das nahe gelegene Restaurant. Auf der Toilette lehnte ich mich gegen das Waschbecken, öffnete den Hahn und schaufelte mir literweise kaltes Wasser ins Gesicht. Ich starrte mich im Spiegel an, um das unwirkliche Gefühl loszuwerden. Schaute mich immer wieder an, ließ Wasser über mein Gesicht und meine Handgelenke laufen, rieb mir die Schläfen und, als das alles nichts half, sank ich an die Wand und rutschte auf den Boden. Ich wollte weglaufen. Doch vor was und vor allem wohin? So blieb ich sitzen, den Kopf auf den Knien, und wartete ab, zu müde, um noch weiter gegen dieses verschlingende Nichts in mir anzukämpfen.
    Seltsamerweise gab nicht nur ich in diesem Moment auf. Auch das Nichts beendete, zunächst fast unmerklich, sein Saugen und Ziehen an mir. Mein Herzschlag verlangsamte sich, mein Atem wurde regelmäßiger und ich konnte den Raum um mich herum deutlicher wahrnehmen. In diesem Augenblick betrat Meike die Damentoilette. Ihre Augen weiteten sich vor Schrecken, als sie mich am Boden kauern sah.
    Mit zittrigen Knien stemmte ich mich nach oben. „Kreislaufprobleme.“
    Ich schob mich an der Wand entlang nach draußen.
    Auch das Kamerateam schaute mich seltsam an, als ich mit verschmiertem Gesicht und durchnässten Kleidern vor ihnen stand.
    „Wir haben genug Material zusammen“, sagte Meike unsicher. „Lasst uns zurückfahren!“
    Ich nickte dankbar.
    Zurück in der Redaktion ging ich zu Ulf und teilte ihm mit, dass ich krank sei. Nach dieser Erfahrung konnte und wollte ich mich nicht mehr mit Rosen beschäftigen. Beitrag hin oder her. Meike würde ihn für mich schneiden müssen.
    Als ich Paul um kurz nach zwei aus der Krippe abholte, presste ich seinen pummeligen, kleinen Körper fest an mich. Ich vergrub meine Nase in seinen Haaren und atmete den tröstlichen Babygeruch tief ein und aus. Was auch immer das eben gewesen war, so etwas durfte nie wieder passieren!

„Hattest du früher Schluss?“, fragte Sam und öffnete die Wohnungstür. Er kam anscheinend gerade vom Volleyballtraining, denn er trug noch seine Sportsachen und begrüßte Paul und mich mit einem verschwitzten Kuss.
    Ich trat ein und stolperte fast über den riesigen Wäschekorb, den ich ihm heute Morgen an eine, wie ich hoffte, strategisch günstige Stelle platziert hatte.
    „Hattest du nicht versprochen, mehr im Haushalt zu machen?“, blaffte ich Sam an.
    „Ich hätte die Wäsche schon noch zusammengelegt. Woher sollte ich wissen, dass du früher nach Hause kommst?“
    „Mir ist schlecht geworden.“
    Sam sah

Weitere Kostenlose Bücher