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Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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mich überrascht an. Es war nicht meine Art, mich wegen solcher Kleinigkeiten krankschreiben zu lassen. Doch da ihm Krankheiten und Unpässlichkeiten ein Gräuel waren, hakte er nicht weiter nach.
    „Ich gehe duschen.“ Er verschwand im Bad.
    Seufzend schob ich den Wäscheberg mit dem Fuß zur Seite und ging zur Küche, um Paul seinen Nachmittagsbrei zuzubereiten.
    Systematisch machte ich mich daran, Wasser im Wasserkocher zu erhitzen und dieses unter ein paar Löffel Reisflocken zu rühren, sodass ein dicker, sämiger Brei entstand. Dann öffnete ich ein Glas Pfirsich-Banane, schüttete seinen Inhalt über die Flocken und setzte Paul in seine Wippe. Der Fütterungsmarathon konnte beginnen.
    Da mein Sohn Getreideflocken jeglicher Art hasste, der Kinderarzt aber meinte, dass Kohlehydrate unerlässlich für seine körperliche und geistige Entwicklung seien, erforderte diese Tätigkeit meine vollste Konzentration. Doch immer wieder drängte sich die unschöne Szene vom Vormittag in meine Gedanken.
    „Denkst du daran, dass ich heute Abend nicht da bin?“ Sam stand in der Tür. Er hatte ein Handtuch um seine Hüften gebunden, seine Haut war noch feucht vom Duschen.
    „Wo gehst du hin?“, fragte ich bemüht freundlich. Doch ich war mir sicher, dass er trotzdem den anklagenden Unterton heraushören konnte, der die letzten Wochen und Monate in all meinen Sätzen mitzuschwingen schien.
    „Erst in den Biergarten, anschließend zum Pokern. Das habe ich dir aber gesagt.“
    „Stimmt, ich habe nicht mehr daran gedacht. Aber geh ruhig“, sagte ich. „Schön, dass zumindest für einen von uns das Leben ganz normal weitergeht“, fügte ich leise hinzu.
    Sam hatte nach seiner Approbation als Apotheker auf den langweiligsten und selbstlosesten Beruf umgesattelt, den ich mir neben katholischem Priester und Altenpfleger vorstellen konnte: Er machte eine Ausbildung zum Biologie– und Chemielehrer und hatte die meisten Nachmittage frei.
    Ich dagegen arbeitete von früh bis spät, nahm Paul mit zur Krippe und holte ihn ab. Darüber hinaus kam ich zu überhaupt nichts mehr.
    Ich startete einen erneuten Versuch, unserem Sohn einen Löffel Brei einzuflößen. Doch dieses Mal war seine Hand schneller. Der orangefarbene Brei spritzte mir in die Augen. Als ich wieder etwas sehen konnte, strahlte Paul mich mit seinen zweieinhalb Zähnen an, sichtlich begeistert von seiner Aktion.
    „He, he!“, lachte er.
    Sam war verschwunden.
    In allen Ratgebern, die ich gelesen hatte, stand, dass das Lachen ihres Babys Eltern für sämtliche Anstrengungen entschädigen würde. In meiner Schwangerschaft hatte ich diese Passagen stets mit einem verklärten Lächeln quittiert. Doch seit Pauls Geburt wusste ich es besser. Die Autoren dieser Bücher wurden für solche Äußerungen staatlich subventioniert, um den Kindermangel der Deutschen in den Griff zu bekommen.
    „Hast du meine neue Jeans gesehen?“, schallte es gut gelaunt aus dem Bad.
    „Sie liegt auf dem Boden im Schlafzimmer, gleich neben deiner benutzten Unterhose.“
    Ich verzog das Gesicht. Warum konnte Sam sich nicht merken, wo er seinen Kram hingetan hatte? Aber was erwartete ich? Seine Mutter hatte ihm von früh bis spät alles hinterhergetragen.
    Während ich den Löffel mit dem verpönten Brei wie ein Flugzeug durch die Luft kreisen ließ, um Pauls zusammengepresste Lippen doch noch zu öffnen, hörte ich Schritte in Richtung des besagten Zimmers, das Klicken eines Lichtschalters und kurz darauf ein unterdrücktes Fluchen. Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte sinken.
    „Die nächsten Tage müssen wir uns wirklich einmal Zeit nehmen, um die Lampe zu reparieren.“ Sams Kopf erschien in der Küchentür.
    „Klar, lass uns doch gleich morgen dafür einen Termin blocken“, murmelte ich.
    „Was hast du gesagt?“
    „Nichts.“ Entnervt hob ich den Kopf, ging an den Schrank im Flur und nahm eine Glühbirne heraus. Ich kletterte auf einen Stuhl und tauschte sie gegen das kaputte Exemplar aus.
    „Was machst du?“
    „Ich repariere die Lampe.“
    „Die Birne war kaputt?“ Sam sah mich verdutzt an. Doch dann erhellte sich sein Gesicht und er nahm mich in den Arm. „Was würde ich ohne dich machen?“
    Ich entwand mich aus seiner Umarmung. „Viel Geld für Handwerker bezahlen?“
    Sam trat einen Schritt zurück. „Warum reagierst du nur immer so gereizt? Seitdem Paul besser schläft, haben wir alles doch ganz gut im Griff.“
    „Ha! Im Griff. Dass ich nicht lache. Ich arbeite

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