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Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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anzusprechen. Lilly winkte den beiden zu, Bernhard und Bianca winkten freundlich zurück und entschwanden aus unserem Blickfeld.
    „Wenn du dich ihnen anschließen willst, brauchst du aber auch so einen Trainingsanzug“, meinte Helga ernsthaft.
    „Und eine Topffrisur“, gab Lilly zu bedenken.
    Auch wenn diese Vorstellung eigentlich zutiefst deprimierend war, musste ich lachen.
    „Wenn dir langweilig ist, könntest du Manfred fragen, ob du ihm im Garten helfen darfst. Jetzt im Herbst hat er jede Menge zu tun“, schlug Helga vor.
    „Nein, danke.“ Ich verzog das Gesicht. Manfred war der Frührentner, der vor einem Jahr das Haus links neben den Aibls bezogen hatte und den lieben langen Tag in einer weißen kurzen Hose, bis zu den Knien hochgezogenen Tennissocken und mit einem kleinen Eimerchen über sein handtuchgroßes Grundstück lief, Blumen goss, Unkraut jätete oder mit einer Nagelschere in der Hand auf dem Boden lag und dafür sorgte, dass jeder Grashalm seines Rasens die korrekte Länge hatte. Bei Letzterem hatte ich ihn selbst beobachtet.
    „Du könntest dich auch mit Maria und Brigitte anfreunden“, schlug Mia süffisant vor. „Vielleicht hast du bei Frauen mehr Glück als bei Männern.“
    „Die beiden haben letzten Monat geheiratet. Wusstest ihr das?“, fragte Lilly.
    Wir anderen schüttelten den Kopf.
    „Bernhard und Bianca, Manfred, Maria und Brigitte und die Aibls. Wer weiß, welche Anomalien du noch entwickelst, wenn du dich länger hier aufhältst.“ Mia wiegte gespielt sorgenvoll den Kopf hin und her.
    „Ich glaube nicht, dass es politisch korrekt ist, ein verheiratetes Lesbenpärchen als anormal zu bezeichnen“, konterte ich schwach.
    Doch insgeheim schauderte es mich. Mir war nicht bewusst gewesen, dass meine Eltern in den letzten Jahren zunehmend von Exoten eingekreist wurden. Umgeben von einer solchen Nachbarschaft war es nicht verwunderlich, dass meine Mutter mit Engeln kommunizierte, während mein Vater einen altersuntypischen Hang zu Körperschmuck entwickelte und einmal im Monat zur Kosmetikerin ging.
    „Ich werde nicht die ganze Zeit hier wohnen“, sagte ich, bevor mich der Gedanke, in ein paar Wochen eventuell als Prinzessin Lillifee verkleidet durch die Straßen von Marzling zu spazieren, zu sehr deprimierte. „In vier Tagen fliege ich nach Irland.“
    „Du fliegst wohin?“ Helga blieb der Mund offen stehen und auch die anderen beiden starrten mich an.
    „Nach Irland“, wiederholte ich betont laut und langsam.
    „Im Winter?“
    „Noch ist es Herbst.“
    „Das macht es aber nicht besser“, sagte Mia.
    „Warum willst du gerade nach Irland?“, fragte Lilly.
    Ich wiederholte die Antworten, die ich Sam bereits vor einem Tag gegeben hatte: Wollte schon immer dorthin, mildes Klima, im Sommer zu viele Touristen.
    „Du wirst statt deiner Nuttenschläppchen Gummistiefel einpacken müssen.“ Mia grinste boshaft. „Meinst du, du kannst darin gehen?“ „Bestimmt.“ Schon vor langer Zeit hatte ich gelernt, mich nicht mehr von ihr provozieren zu lassen.
    „Mit wem fährst du? Doch nicht allein, oder?“, fragte Lilly.
    „Nein. Mit Paul.“
    „Aber ist das nicht ein bisschen einsam? Nur du und Paul.“ Helga runzelte die Stirn.
    Auch wenn ich es mir nicht gerne eingestand, dieser Gedanke war mir auch schon gekommen. Und je näher meine Abreise rückte, desto mulmiger wurde mir bei der Vorstellung, mit meinem zehn Monate alten Sohn allein über die grüne Insel zu fahren. Im Linksverkehr.
    „Möchte eine von euch mitkommen?“, fragte ich Mia und Lilly hoffnungsvoll. Da Helga mittlerweile aussah, als hätte sie Danny de Vito verschluckt, erübrigte sich diese Frage bei ihr.
    „Garantiert nicht.“ Mia zeigte mir einen Vogel.
    Auch Lilly musste passen. „Der Jahresabschlussbericht in Torstens Büro steht an.“
    „Seht ihr. Mir bleibt nichts anderes übrig, als allein zu fahren.“ Vorwurfsvoll blickte ich sie an.
    „Ach.“ Mias Augen glitzerten gefährlich. „Wenn dir so viel an Gesellschaft liegt, würde mir schon jemand einfallen, der Zeit hätte, dich auf deinem Selbstfindungstrip zu begleiten.“
    „Wer denn?“
    „Milla.“
    „Nein.“
    „Dann fahr allein.“ Sie zuckte mit den Schultern.

    Es dauerte zwar ein wenig, aber letztendlich überwand ich mich doch, meine Mutter darum zu bitten, ein paar Tage mit Paul und mir zu verreisen. Ich fühlte mich schlichtweg nicht dazu in der Lage, das Projekt Irland alleine anzugehen. Was, wenn ich auf der Insel einen

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