Zeit für Eisblumen
Stirn begann zu pochen. „Warum nicht?“
„Weil es eine absolut schwachsinnige Idee ist, mit einem Baby im Winter durch Irland zu fahren. Wenn du unbedingt dorthin willst, warte, bis ich Ferien habe. Dann komme ich mit.“
„Ich möchte aber jetzt fahren.“ Eigensinnig kniff ich den Mund zusammen.
„Warum jetzt?“
„Weil ich raus muss. Mir fällt zu Hause die Decke auf den Kopf.“
Sam lachte freudlos auf. „Ach, dir fällt die Decke auf den Kopf. Du Arme. Gut, dann fahr, aber Paul nimmst du nicht mit.“
„Doch.“
„Nein.“
„Doch.“
„Das werden wir ja sehen.“
Bis wir an unserer Wohnung ankamen, sprachen wir kein Wort mehr miteinander. Auch die folgenden Tage herrschte Eiszeit zwischen uns. Dann entdeckte Sam zu allem Überfluss den Scheck.
Er war kurz vor meinem Streit mit ihm mit der Post gekommen und ich hatte ihn in mein Nachtschränkchen geschoben.
„Was ist das?“ Anklagend hielt er mir den Scheck unter die Nase.
Ich war gerade dabei, die Spülmaschine auszuräumen.
„Was?“, fragte ich betont ruhig, obwohl mein Körper sich verkrampfte und meine Gedanken wie trockene Blätter in meinem Kopf herumwirbelten, als ich den Wisch erkannte.
„Das hier.“ Er wedelte mit dem Papier herum. „Das ist ein Scheck. Von meiner Mutter. Über 1000 Euro.“
„Ach.“ Ich richtete mich auf und sah ihn böse an. „Warum hast du in meinem Nachtschränkchen herumgekramt?“
Wir hatten ausgemacht, dass es für ihn tabu war. Nicht, dass ich einen Vibrator dort aufbewahrte, der lag im Kleiderschrank, aber gerade wenn man zusammenwohnte, brauchte man einen Platz, der nur einem selbst gehörte. Und dieser Platz war mein Nachtschränkchen. Hatte ich ihm dies nicht unmissverständlich klargemacht?
Doch Sam blieb unbeeindruckt. „Ich habe Taschentücher gesucht. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Warum schickt dir meine Mutter Geld?“
„Für Pauls Autositz.“
Sam starrte mich an. „Du weißt genau, dass ich kein Geld von meinen Eltern will.“
Ich versuchte, seinem Blick standzuhalten. Bilder von gemeinsamen Abendessen in schicken Münchner Restaurants zogen an mir vorbei, Skiurlaube in Kitzbühel, die Villa in Bogenhausen mit dem Pool im Garten und der Sauna im Keller. War es denn so verwerflich von mir, dass ich mich nach diesem Leben zurücksehnte? Außerdem mochte ich Sams Eltern. Warum zum Teufel hatte er diese verdammten Apotheken nicht übernehmen können?
„Und trotzdem hast du diesen Scheck angenommen.“ Sams Stimme klang gepresst.
„Ich habe ihn ja nicht eingelöst“, erwiderte ich trotzig. „Ich wollte dich erst fragen, aber die letzten Tage haben wir nicht miteinander geredet. Paul braucht einen größeren Sitz. In die Babyschale passt er kaum noch hinein. Und wir haben keine 200 Euro übrig, um ihm einen zu kaufen.“
„Ein neuer Autositz kostet keine 200 Euro. Ich habe im Internet nachgeschaut. Es gibt sie bereits ab 80 Euro.“
„Aber keinen schönen.“ Ich zwirbelte nervös eine Haarsträhne um meinen Finger.
„Keinen schönen. Aha! Und deswegen hast du mich hintergangen. Weil wir für 80 Euro keinen schönen neuen Schicki-Micki-Designer-Autositz bekommen.“ Sams Stimme schwoll bei den letzten Worten an.
„Ich wollte dich nicht …“
„Natürlich wolltest du nicht. War es das erste Mal, dass du Geld von meiner Mutter angenommen hast?“
„Ja.“ Ich bückte mich nach unten und nahm den Besteckkasten aus der Spülmaschine.
Sam verschwand nach draußen in den Flur. Er kam mit Pauls Winterjacke zurück.
„Und was ist damit?“ Er hielt sie mir anklagend vor die Nase.
„Was soll damit sein?“
„Die Jacke ist von Bogner und kostet mindestens 150 Euro. Paul wird in ein paar Monaten herausgewachsen sein.“
„Ich habe sie in einem Baby-Secondhand-Laden gekauft. Das weißt du aber.“ Und es stimmte auch.
„Ja, und ich habe es dir geglaubt. Aber jetzt glaube ich es dir nicht mehr. Also. War es das erste Mal, dass du Geld von meiner Mutter angenommen hast?“ Seine Augen hefteten sich durchdringend an meine.
Ich wich seinem Blick aus. „Nein. Aber ich gebe das Geld nur für Paul aus. Und ich habe das meiste davon auf sein Sparkonto getan.“
Doch Sam ging nicht darauf ein. „Wie oft schon?“
„Wie oft was?“
„Wie oft hat dir meine Mutter ihre großzügigen Almosen zukommen lassen?“
„Ein paar Mal. Ich weiß nicht genau, wie oft.“
„Natürlich weißt du es.“ Sam lachte gequält.
„Aber was sollte ich denn tun? Du
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