Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
Vom Netzwerk:
auch der Geruch von Glühwein und Bratenspießen zu mir herüber. Mir knurrte unwillkürlich der Magen, vor allem, da ich wusste, dass im Café Luitpold die Preise hoch und die Portionen winzig waren.
    Eva wartete bereits auf mich. Sie war wie immer top gestylt und ähnlich üppig mit Schmuck behangen wie der opulente Weihnachtsbaum im Eingangsbereich des Cafés.
    „Felicitas, wie schön, dass du gekommen bist. Wo ist mein süßer Enkel?“ Sie hauchte mir rechts und links ein Küsschen auf die Wange.
    „Ich habe ihn bei meiner Mutter gelassen. Wir hätten sonst keine ruhige Minute gehabt. Seitdem er krabbeln und sich hochziehen kann, ist er nicht mehr dazu zu bewegen, in einem Hochstuhl sitzen zu bleiben. Das nächste Mal komme ich zu dir nach Hause.“
    Evas Augen leuchteten. „Wann hast du Zeit? Ich habe bereits fünf Sorten Plätzchen gebacken.“
    „Leider erst kurz vor Weihnachten. Paul und ich fahren nach Irland.“
    „Nach Irland?“ Eva hob ungläubig die Augenbrauen. „Im Winter?“
    „Ich besuche eine Freundin.“ Ich hatte keine Lust darauf, mich erneut lang und breit über die Beweggründe meiner Reise auszulassen.
    „Es ist bestimmt ganz schön kalt dort.“ Eva fröstelte und zog ihr kunstvoll gerafftes Hermèstuch ein wenig fester um den Hals.
    „Nein, durch den Golfstrom …“ Mein Gott, normalerweise war ich diejenige mit dem fehlenden Allgemeinwissen. Wusste denn außer mir wirklich gar niemand über das Klima in diesem Land Bescheid? An den Reaktionen meiner Mitmenschen gemessen, konnte man glauben, dass Irland direkt neben Sibirien lag.
    „Ich mag die wärmeren Regionen ja lieber. Für nächsten März habe ich mit Herbert eine Reise in die Karibik geplant. Wenn er es bis dahin geschafft hat, sich von diesen vermaledeiten Apotheken zu lösen.“ Eva seufzte.
    Eine Bedienung kam zu uns an den Tisch und nahm unsere Bestellung entgegen. Eva orderte ein Kännchen Kaffee und eine Brezel, ich einen Jasmintee und das Frühstück Mannequin.
    „Hat Herbert einen Pächter gefunden?“ Neugierig beugte ich mich nach vorn. Wenn das leidige Thema Apotheke endlich vom Tisch war, würde vielleicht endlich Frieden in dieser Familie einkehren.
    „Ja, einen junger Mann. Er ist Ende dreißig und kommt aus Hamburg. Am liebsten würde er alles sofort übernehmen. Aber du kennst ja Herbert. Er kann sich noch nicht völlig davon lösen. Mit Samuel als Nachfolger wäre ihm der Abschied leichter gefallen.“
    Innerlich verdrehte ich die Augen. Weder meine Schwestern noch ich waren Steuerberaterinnen geworden. Hatte mein Vater deswegen einen solchen Aufstand gemacht? Aber vielleicht war das auch nicht zu vergleichen. Die Sonnenapotheke war eine der ältesten Apotheken in München und befand sich seit 150 Jahren in Familienbesitz, die Apotheke am Isartor und die in Bogenhausen hatte Herberts Opa aufgebaut. Die Steuerkanzlei meines Vaters dagegen wurde erst 1981 eröffnet, und als der ersehnte Sohn ausgeblieben war, hatte mein Vater wohl gar nicht erst damit gerechnet, unter seinen Töchter einen potenziellen Nachfolger zu finden.
    „Wie geht es Samuel?“ Ein Hauch von Bedauern lag in Evas Stimme.
    Sams Vater war es gewesen, der ihn vor anderthalb Jahren zu Hause rausgeschmissen hatte. Aber da Eva sich in dieser Auseinandersetzung nicht kategorisch auf die Seite ihres Sohnes gestellt hatte, sprach Sam auch mit ihr seitdem nur noch das Notwendigste. Dass wir nicht mehr zusammen waren, schien jedenfalls nicht bis zu ihr vorgedrungen zu sein. Ich beschloss, nicht lange um den heißen Brei herumzureden.
    „Sam und ich haben uns getrennt.“
    „Wie bitte?“ Ihre Augen weiteten sich. „Aber warum? Ihr wart doch glücklich miteinander.“
    „Ja, waren wir. Aber seitdem Paul auf der Welt ist und Sam diese Lehrerausbildung macht, haben wir uns nur noch gestritten. Aber wir werden weiterhin in Kontakt bleiben und Sam kann Paul jederzeit sehen.“ Ich beschloss, die ganze Angelegenheit im Rekordtempo abzuhaken. An einer Versöhnung schien ihrem Sohn ja ganz augenscheinlich nicht gelegen zu sein.
    „Ach Gott, das tut mir leid.“ Eva blickte mich mitfühlend an und ich merkte, dass meine Unterlippe zitterte.
    Zum Glück brachte die Bedienung uns in diesem Moment unser Frühstück. Das Modell „Mannequin“ hielt, was sein Name versprach. Das Birchermüsli war in einem Glasschälchen mit einem Durchmesser von sechs Zentimetern drapiert und bei dem Obstsalat handelte es sich um drei Trauben und zwei Scheibchen Apfel.

Weitere Kostenlose Bücher