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Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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Um Eva nicht anschauen zu müssen, machte ich mich sofort darüber her.
    Doch ihr hatte es den Appetit verschlagen, denn sie zerbröselte ihre Brezel nur zwischen den Fingern, aß aber nichts davon.
    „Als Sam klein war, haben Herbert und ich uns auch ständig gestritten“, meinte sie nachdenklich. „Es war eine anstrengende Zeit. Herbert hatte gerade die Apotheken übernommen und Tag und Nacht gearbeitet und ich habe zu Hause mit dem kleinen Kind gesessen und gedacht, dass mein Leben nur noch aus Windeln und Babybrei besteht. – Ihr braucht vielleicht einfach nur ein wenig Abstand voneinander. Oder hast du einen anderen?“
    Nicht nur ich, auch Sams Mutter war eine Freundin der direkten Worte.
    „Nein.“ Ich schüttelte den Kopf.
    „Hat Sam eine andere?“
    Ich dachte kurz an Monika. „Auch nicht.“
    „Was hindert euch daran, es in ein paar Wochen erneut zu versuchen? Ihr habt schließlich ein kleines Kind.“
    „Es ist einfach zu viel schiefgelaufen.“
    „Was denn?“
    Sie konnte wirklich hartnäckig sein. Ich bedauerte es langsam, mich mit ihr getroffen zu haben.
    „Du weißt doch, dass ich nach Pauls Geburt Probleme hatte.“
    Eva nickte.
    „Sam hat es überhaupt nicht verstanden. Ich glaube, damit fing alles an.“
    Sie griff nach meiner Hand. „In dieser Hinsicht ist Samuel wie sein Vater. Die Leidensgeschichten seiner Kunden hört sich Herbert geduldig an, aber wenn ich krank bin, bringt er mir noch nicht einmal einen Tee ans Bett. Es scheint fast so, als wäre er durch meine Unpässlichkeit persönlich beleidigt.“
    „Du denkst also, Sam kann nichts für sein Verhalten? Er ist lediglich das Opfer seiner Gene?“
    Eva nickte. „Und auch wenn er es dir nicht immer zeigt, ich weiß genau, dass mein Sohn dich sehr, sehr liebt. Schon seit eurem ersten Treffen.“
    „Woher willst du das wissen?“
    Sie lachte. „Weil er es mir gesagt hat. Damals hat er schließlich noch mit mir gesprochen. Nachdem ihr das erste Mal in den Isarauen wart, ist er abends nach Hause gekommen und hat mir erzählt, dass er die Frau getroffen hat, mit der er gemeinsam alt werden möchte. Gut, es hat noch ein wenig gedauert, bis ihr zusammengekommen seid, aber egal wie viele Freundinnen er in der Zwischenzeit hatte, er wollte immer nur dich.“
    „Hat er dir das auch gesagt?“
    „Ja, des Öfteren. Und du weißt, dass er normalerweise kein großer Redner ist.“
    Ich schluckte. Die Frau, mit der er gemeinsam alt werden möchte. Davon hatte ich keine Ahnung gehabt. Mir hatte Sam nur erzählt, dass er sich schon bei unserem ersten Treffen gewünscht hatte, mit mir ins Bett zu gehen.
    „Meinst du, ich könnte Samuel einmal anrufen?“, fragte Eva. „Ich finde es schade, dass sich unser Verhältnis die letzten Jahre so verschlechtert hat.“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Du weißt, wie stur er ist. Aber versuch es. Durch unsere Trennung hat sich einiges verändert.“
    Schweigend widmete ich mich meinem Frühstück. Ich musste darüber nachdenken, was Eva mir gerade erzählt hatte.
    Nach unserer Verabschiedung spazierte ich noch ein wenig durch die Fußgängerzone. Ich überlegte, ob ich mir von dem Scheck, den Eva mir während unseres Frühstücks aufgedrängt hatte, etwas gönnen sollte. Doch seit meiner Panikattacke im Badezimmer trieb mir allein der Gedanke daran, einkaufen zu gehen, den Angstschweiß auf die Stirn. Selbst beim Schminken fühle ich mich unwohl. Ich musste an Dr. Mertens Worte denken. „Gefährlich werden die Panikattacken nur, wenn sie Einfluss auf unseren Alltag nehmen.“ Angst vor geschlossenen Räumen, Angst vor Menschenansammlungen, meinetwegen auch Angst davor, Auto zu fahren. All das konnte ich nachvollziehen. Aber war es nicht grotesk, dass es mir davor graute, eine Boutique zu betreten oder in den Spiegel zu schauen?
    Nachdem ich ein wenig ziellos herumgeschlendert war, blickte ich auf die Kirchturmuhr der Frauenkirche. Erst halb zwölf. Sam würde noch in der Schule sein. Der Zeitpunkt war günstig, um zu Hause noch die paar Dinge einzupacken, die ich bei meinem überstürzten Aufbruch vergessen hatte. Und um herauszufinden, was Sam in meiner Abwesenheit alles trieb.

    Als ich die Wohnung betrat, fiel mir sofort der abgestandene Geruch auf. Sam musste seit Tagen nicht mehr gelüftet haben. Abgesehen von seiner ungemachten Bettseite sah es aber überraschend ordentlich aus. Sam hatte seine herumliegenden Kleider im Schrank verstaut und in der Küche stand bloß eine leere Flasche

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