Zeit für Eisblumen
hatte. Ich brummelte etwas Undefinierbares, fuhr den Computer hoch und ließ meinen Schreibtischstuhl ein paar Zentimeter nach unten sinken, damit ich sie nicht sehen musste.
Obwohl ich heute den ganzen Tag mit Dreh und Schnitt für meine wöchentliche Kolumne „Fees Welt“ beschäftigt sein würde, schaute ich gewohnheitsgemäß bei bild.de vorbei, um mich über den neuesten Promiklatsch auf dem Laufenden zu halten: Stefanie Hertel und Stefan Mross gaben über Facebook ihre Trennung bekannt, Lady Gaga trug eine riesige Tasche in Form einer türkisfarbenen Rose und – holla! – Ashton Kutcher hatte sich in Ellen deGeneres’ Show ausgezogen. Ich stand auf Demis Toyboy. Diesen Beitrag musste ich mir unbedingt anschauen. Sein nackter Anblick würde mich davon abhalten, ständig über den Rand meines Monitors zu Monika hinüberzuschielen.
Ich hatte die blonde Tussi noch nie leiden können, aber seitdem sie während meines Mutterschutzes meine Modekolumne moderiert hatte und beim Publikum gut angekommen war, befürchtete ich, dass sie an meinem Stuhl sägte. Auf jeden Fall hatte sie meinem Chef Ulf deutliches Interesse für die Moderation der Oscarnacht signalisiert. Dabei wusste jeder aus der Redaktion, dass mir die Ehre zuteilwurde, nächstes Jahr von diesem Event zu berichten. Markus dagegen, der am Schreibtisch neben mir saß, bemühte sich erst gar nicht, seine Sympathie für unsere junge Kollegin zu kaschieren, sondern starrte sie unverhohlen und mit lüstern wackelnden Nasenflügeln an.
Es war mir ein Rätsel, was Männer an ihr fanden. Während Monika von den weiblichen Kolleginnen wegen ihrer anbiedernden und süßlichen Art kollektiv gehasst wurde, schienen ihre charakterlichen Defizite von unseren männlichen Kollegen schlichtweg ignoriert zu werden. Bei aller Abneigung musste allerdings selbst ich zugeben, dass Monika wirklich gut aussah. Zumindest wenn man auf den Daniela-Katzenberger-Typ stand. Aber alles an ihr war einfach too much: Ihre Extensions waren zu blond, ihre Nägel zu lang, die Zähne zu weiß und die Haut viel zu stark gebräunt. Und erst ihre Kleider! Heute trug sie zu grünen Cowboystiefeln eine weite Flatterhose im Ethnolook, ein pinkfarbenes Shirt und eine lilafarbene Wollmütze. An jedem anderen hätte dieser Look unmöglich und nach Karneval ausgesehen, aber an Monika wirkte er … cool. Und sie war noch so jung! Ganze sechs Jahre jünger als ich.
Bevor ich weiter mit meinem greisenhaften Alter hadern konnte, lenkte ich mich mit nackten Tatsachen ab und ging auf die Seite von YouTube. Doch leider war Ashton Kutchers Körper nur von Kopf bis zum Bauchnabel zu sehen, die interessanten Teile machte eine wabernde Pixelmasse unkenntlich. Nicht einmal ein Blick auf sein Gemächt war mir vergönnt! Ich seufzte.
Zum Glück war es gleich halb zehn. Zeit für unsere tägliche Morgenkonferenz. Da ich meinen heutigen Dreh, der von dem brandheißen Modethema „Reißverschlüsse“ handelte, bereits vorbereitet hatte, war ich recht entspannt, als ich den Konferenzsaal betrat. Zumindest musste ich nicht befürchten, dass irgendwelche absurden Themen an mich herangetragen würden.
Erst letzte Woche hatte ein junges, aufstrebendes Nachwuchsmodel eine Jeans getragen, die aussah, als ob ein Tanga darunter hervorschaute. Mein Chef hielt es für eine gute Idee, noch am gleichen Tag über diesen Trend zu berichten. Ich durfte in der Stadt herumrennen, um ein ebensolches Teil aufzutreiben, ein megadünnes XXS-Model buchen, das Mädchen mit der Hose durch die Fußgängerzone schicken und harmlose Passanten fragen, ob sie diese Jeans ebenfalls tragen würden. Der ganze Dreh hatte sich als schwierig erwiesen, da das Mädchen beim Anblick der Hose in Tränen ausgebrochen war und ich sie nur mit Hilfe von drei Gläsern Sekt dazu bewegen konnte, sich darin der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die meisten rannten davon, als sie mich mit dem Mikrofon auf sich zukommen sahen und die einzigen O-Töne, die ich bekam, endeten stets mit prustendem Gelächter. Aber Reißverschluss sei Dank! Heute würde ich vor solch unliebsamen Überraschungen verschont bleiben. Und so lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und beschloss, die Konferenz mehr oder weniger an mir vorbeirauschen zu lassen. Doch auf einmal wurde ich hellhörig.
„Ich finde, Fee sollte darüber berichten“, hörte ich Monika mit ihrem nervtötenden norddeutschen Einschlag in der Stimme sagen.
„Was?“ Ich fuhr hoch.
Sie wandte mir ihr
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