Zeit für mich und Zeit für dich
wer zu allem ja und amen sagt, verliert an Attraktivität. Je länger man das hinnimmt, desto schwächer wird man.
Einige warten aber auch ab und hoffen, dass der andere einen falschen Schritt tut, einen Fehler macht, die kleinste Schwäche zeigt, damit eine Trennung unausweichlich scheint und sie nicht als Unmenschen dastehen.
Es kommt auch vor, dass zwei, die einander nicht mehr lieben und sich nur gegenseitig das Leben schwermachen, trotzdem noch eifersüchtig sind und nur deshalb zusammenbleiben, damit kein anderer ihre Stelle einnehmen kann.
Es gibt viele Gründe dafür, zusammenzubleiben. Vielleicht ist man seit fünf Jahren zusammen, hat sich davon aber nur zwei oder drei oder vier Jahre geliebt. Man kann die Qualität einer Beziehung nicht an ihrer Dauer [25] messen. Was zählt, ist das Wie. Meine Beziehung zu ihr dauerte drei Jahre, aber für mich fühlt es sich an, als hätte ich sie vier Jahre und mehr geliebt, als wäre meine Liebe weit über die eigentliche Dauer unserer Beziehung hinausgegangen. Bis vor kurzem war ich davon überzeugt, dass ich sie auch in den zwei Jahren, die ich nun ohne sie lebe, weitergeliebt habe.
Doch eines Tages wurde mir schlagartig klar, dass ich sie in Wirklichkeit überhaupt nicht geliebt hatte, aus dem einfachen Grund, weil ich dazu gar nicht in der Lage war. Weil ich schon immer ein sehr distanzierter Mensch war. Ich habe nie wirklich geliebt, sondern lediglich Gefühle nachempfunden, wie ein Schauspieler. Zwar weine ich, wenn ich ins Kino gehe oder wenn ich einen hinkenden Hund sehe, wenn jemand stirbt oder bei Schreckensmeldungen in den Nachrichten. Vielleicht ist das typisch für Leute, die nicht wirklich lieben können.
Meine Liebe war nur gespielt – Theater. Ehrlich gemeint, aber dennoch Theater. Ohne dass es mir bewusst gewesen wäre. Ich gab nicht vor zu lieben, um sie zu täuschen. Ich sagte nicht: »Ich liebe dich«, obwohl ich wusste, dass dem nicht so war. Ich betrog mich selbst genauso, ich glaubte wirklich, dass ich sie liebte.
Sie hatte recht, als sie sagte, ich wüsste nicht, wie man liebt. Dass ich dazu nicht imstande sei. Dass ich Liebe mit Anpassung verwechselte.
»Das ist für dich das höchste der Gefühle. Du passt dich an und denkst, das sei Liebe. Aber du verwechselst da was.«
Sie wollte etwas von mir, das ich ihr nicht geben konnte, [26] aber ich verstand nicht, was sie meinte. Ich dachte sogar, es liege an ihr, dachte, sie sei irgendwie unsicher oder ängstlich. Von mir selbst dachte ich: Ich bin nicht eifersüchtig, ich verlange nie etwas von ihr, was sie nicht auch will, ich werde nie wütend, lasse ihr alle Freiheiten, und wenn sie ausgeht, frage ich nicht, wo sie war – was kann ich noch tun?
Ich verstand nicht, was sie von mir wollte. Irgendwann ist der Groschen gefallen. Es hat ein wenig gedauert, aber dann war ich so weit. Leider hat meine Begriffsstutzigkeit dazu geführt, dass ich seit einiger Zeit in kalten Laken schlafe.
Ich bin ein anderer geworden, und darum habe ich vor etwa einem Monat begonnen, wieder den Kontakt zu ihr zu suchen. Sie anzurufen. Heute zum Beispiel: »Hallo, ich bin’s.«
»Das weiß ich. Ich hab nur abgenommen, um dir zu sagen, dass du nicht mehr anrufen sollst.«
»Aber –«
Klick.
Ich habe begriffen, dass ich sie liebe und dass ich bereit bin, zu ihr zurückzukehren. Ihr alles zu geben, was sie will. Darum war es ein Riesenschock, als Nicola mir vor ein paar Tagen sagte, dass es Neuigkeiten über sie gibt.
[27] Eine schonend beigebrachte Neuigkeit
Wenn einer mich fragt, was ich beruflich mache, bin ich immer unsicher, ob ich »Copywriter« sagen soll oder einfach: »Ich schreibe Werbetexte.« Manchmal schätze ich es falsch ein, sage »Copywriter« und werde dann gefragt, was das denn sei. Ich antworte dann gewöhnlich: »Ich werde dafür bezahlt, dummes Zeug auszuspucken«, oder, um die Sache abzukürzen: »Freiberufler.« Das ist zwar die Antwort, die ich am allerwenigsten mag, aber damit ist die Frage am schnellsten vom Tisch.
Wenn gerade eine von mir getextete Werbung erfolgreich läuft, sage ich: »Kennst du den Spot mit dem Slogan xy? Der ist von mir.«
Wie alle Copywriter arbeite ich mit einem Art Director zusammen, in meinem Fall ist das Nicola. In unserem Job ist Kreativität gefragt, und wenn man im Kopf blockiert ist, kann man’s vergessen. Deshalb wartete Nicola, bis wir die aktuelle Kampagne abgeschlossen hatten, um mir die Neuigkeit zu eröffnen, die mich dann auch
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