Zeit für Plan B
Vater bekräftigen würden. Wenn ich ihm das klarmachen konnte, dachte ich, dann würde ihm das etwas Trost spenden und dann hätte er auch richtig gehandelt, als er sich an mich wandte, um ein Leitbild zu haben.
Ich trat einen Schritt zurück, um mein Werk zu betrachten, und beugte mich dann vor, um die beweglichen Knie des grinsenden Skeletts an der Tür in eine realistischere Haltung zu bringen. Ich warf einen Blick auf die Menge, suchte nach Seward, aber er hatte offensichtlich die Lust verloren, noch länger zu warten und sich dabei, wie ich hoffte, die Eier abzufrieren. Zufrieden mit meinem Werk, hob ich mein Klebeband auf und ging ins Haus, um festzustellen, ob Lindsey mit mir losziehen wollte, um einen Kürbis zu besorgen. Ich verspürte ein Gefühl von Wohlbefinden und Zufriedenheit, das ich so lange vermisst hatte, dass es mir fast schon fremd vorkam. Mein neuer junger Freund und meine wieder entfachte Beziehung zu Lindsey erschienen mir jetzt als Teile eines größeren Ganzen. Nachdem ich dreißig geworden war, hatte ich ständig über all die Dinge nachgegrübelt, die ich für mich selbst nicht mehr sein konnte, aber nun hatte ich festgestellt, dass es neue Dinge gab, die ich für andere Leute sein konnte, und das fühlte sich gut an. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich nicht als Hochstapler, sondern als vollwertiger Mensch, als wirklich Erwachsener, und zu meiner großen Überraschung machte es mir überhaupt nichts aus. Genau genommen gefiel es mir sogar, irgendwie.
»Wow«, sagte Lindsey, als ich diese Gedanken mit ihr teilte. Wir fuhren im Taurus die 57 hinunter, wo ich meiner Erinnerung nach den Kürbisstand gesehen hatte. »Klingt, als hättest du eine echte Erscheinung gehabt.«
»Vielleicht«, sagte ich und warf einen Blick in den Rückspiegel.Soweit ich erkennen konnte, hatte die Presse sich diesmal nicht entschieden, uns zu folgen. »Es ist irgendwie komisch. So gut wie jetzt habe ich mich schon seit Gott weiß wann nicht mehr gefühlt. Ich hab fast schon ein bisschen Schuldgefühle deswegen. Jack wird vermisst, und hier bin ich und bin … glücklich.«
»Hier sind
wir
«, sagte Lindsey. »Vergiss mich dabei nicht. Es ist, als hätten wir Jack verloren, aber uns selbst und einander dabei gefunden.«
»Kann ich dich etwas fragen?« Ich sah sie an.
»Du hast es eben getan.«
»Warum hast du dieser Intervention zugestimmt?«
»Wie bitte?«
»Neben dem Offensichtlichen. Alle haben noch irgendein tieferliegendes Motiv genannt, nur du nicht«, erklärte ich.
Sie kaute einen Augenblick lang nachdenklich auf der Lippe. »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich weiß, dass ihr – du, Chuck und Alison – Jack wirklich helfen wolltet. Ich wusste nicht, ob es etwas nützen würde oder nicht, ich war schließlich nie so eng mit ihm befreundet wie du. Wie ich schon sagte, ich wollte Alison sogar noch mehr helfen als Jack, sie war so aufgerieben von dieser ganzen Geschichte. Aber noch mehr als das, und das klingt vielleicht etwas egoistisch, wollte ich vermutlich mir selbst helfen. Bei mir passierte einfach gar nichts, es war, als würde ich es einfach nicht schaffen, mein Leben aus dem Leerlauf zu kriegen. Mit euch zusammen zu sein … ich dachte, das würde mir vielleicht in Erinnerung rufen, wer ich eigentlich bin, verstehst du? Weil ich immer so genau wusste, wer ich war, wenn wir alle zusammen ausgegangen sind. Und ich nehme an, da klar war, dass du auch dabei sein würdest …« Ihre Stimme verlor sich nachdenklich, und sie sah mich an und zuckte angesichts ihrer Ehrlichkeit ein wenig zusammen.
»Bei mir war es genau dasselbe«, sagte ich, während ich michschuldig und gleichzeitig erleichtert fühlte. »Vielleicht mussten wir alle die Dinge ein bisschen aufschütteln. Jack hatte zwar die größten Probleme, neben denen wir uns alle toll vorkommen konnten, aber jeder von uns hatte selbst mit seiner eigenen kleinen Abhängigkeit zu kämpfen.«
»Wie zum Beispiel …?«
»Wo soll ich anfangen? Alison hat ihre Jack-Abhängigkeit, ich klebe noch immer an der Vergangenheit fest, und du hast es nicht geschafft, sesshaft zu werden …«
»Richtig. Und was ist mit Chuck?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich kann es nicht genau benennen, aber er hat auch seine Probleme.«
»Er ist abhängig von Minderjährigen«, schlug Lindsey vor und stöhnte über ihren eigenen Witz.
»Was auch immer. Die Sache ist die, ich glaube, wir alle sind hierhergekommen, um irgendwelche Gewohnheiten
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