Zeit für Plan B
Kopfkissen gelegt. Etwas später hatte sie zugelassen, dass ich ihr das T-Shirt auszog. Ich konnte mich noch an den kupfernen Geschmack ihrer Haut erinnern, an ihre makellose Struktur auf meinen Lippen. Am nächsten Tag hatte ich das Stirnband in die oberste Schublade meiner Kommode geworfen, wo es unberührt liegen blieb, bis zum Abend vor meiner Hochzeit. Aber als ich es dann wieder in der Hand hielt, überkam mich plötzlich ein Gefühl verzweifelter Sehnsucht, nicht nach Cindy Friedman, sondern nach dem Kribbeln.
Irgendwann an jenem Abend, während ich mir wünschte, ich könnte mich wieder in meinem Kinderzimmer schlafen legen und in der Highschool aufwachen, wurde mir bewusst, dass ich Sarah gar nicht heiraten wollte. Genau genommen war es mir schon Wochen zuvor bewusst geworden, aber erst in jenem Augenblick, umgeben von den unschuldigen Erinnerungen an meine Jugend, gab ich es mir selbst gegenüber zu. Ich liebte Sarah, aber ich konnte mich nicht an ein einziges Mal erinnern, an dem ich ihretwegen ein Kribbeln verspürt hätte. An jenem Abend muss ich über eine Stunde auf meinem alten Bett gesessen und die verschiedenen Möglichkeiten durchgespielt haben, die es gab, um die Hochzeitabzublasen, während ich doch die ganze Zeit über wusste, dass ich das niemals tun würde. Ein echtes Drama hatte nie zu meinem Repertoire gehört. Ich hatte Angst vor Sarah, die völlig durchdrehen würde, und vor meiner Mutter, die einen Herzinfarkt bekommen würde, aber das alles war zweitrangig, verglichen mit meiner größten Angst, und das war die Einsicht, dass ich wieder allein aufwachen würde. Wie lange konnte man auf jemanden warten, bei dem man ein kribbelndes Gefühl bekommen würde, bevor einen die Einsamkeit verschlang? Meine Ehe würde vielleicht mit Pragmatismus behaftet sein, aber in genau dieser Tatsache lag auch etwas fast Bestärkendes. Fast.
Und jetzt war ich geschieden. Ich wartete auf das abschließende Gefühl. Das eine, das sich einstellen würde, nachdem die Wirkung der Drinks nachgelassen hatte, nachdem sich die Angst und die Depression zu einem leisen Hintergrundgeräusch abgeschwächt hatten. Das Gefühl, das bleiben würde. Ich fragte mich, ob ich froh oder traurig sein würde, innerlich befreit oder nur von Reue erfüllt. Ich hatte keine Ahnung, aber ich wusste, dass es unterwegs war. Ich sah auf ein Foto, auf dem Sarah und ich auf der Hochzeit einer ihrer Freundinnen tanzten. Sie sah mit diesem weisen und liebevollen Grinsen zu mir hoch, als hätte ich eben irgendetwas gesagt, was niemand außer uns beiden je verstehen würde. Ich überlegte, was ich wohl gesagt haben mochte, dass sie mich so ansah. Ich sah ihr ebenfalls genau ins Gesicht, aber meine Miene war undurchdringlich, als hätte die Kamera sie in dem Augenblick getroffen, in dem sie sich eben erst formte.
Der Schwips half mir nicht weiter, also erhob ich mich von der Couch, machte mir ein paar Rühreier und überlegte, ob ich mir nicht einen Hund zulegen sollte.
Ein paar Stunden später, als sich die ersten Sonnenstrahlen in mein Schlafzimmer schlichen, rief meine Mutter an. Ich weiß immer schon, dass sie es ist, bevor ich abhebe, als würde das Telefonein klein wenig anders klingeln, wenn meine Mutter am anderen Ende ist. Dieses kleine psychische Talent findet seinesgleichen nur in ihrer fast schon unheimlichen Gabe, immer genau zu den Zeiten anzurufen, zu denen ich auf keinen Fall mit ihr sprechen will.
»Hi, Ben, hier spricht deine Mutter.« Als würde sie mit einem Anrufbeantworter sprechen. Nicht »Hier ist Mom« oder auch nur ein »Hallo«, ohne sich mit dem eigenen Namen zu melden, wie es bei einem vertrauten Verhältnis der Fall ist. Immer »Hier spricht deine Mutter«, als seien wir zwei Fremde, die einander erst noch vorgestellt werden müssten.
»Hi, Mom.«
»Dein Vater und ich wollten uns nur erkundigen, wie’s dir geht.« Das war ebenfalls ein Teil ihres Skripts, eine Art Entschuldigung für die erbärmliche Kommunikationsfähigkeit meines Vaters. Nicht, dass er sich nicht für mein Wohlergehen interessierte, das tat er schon, aber auf eine passive, allgemeine Art und Weise, die nach keinen Details verlangte. Solange es mir gut ging, war das alles, was er wissen musste, und er verlangte kaum nach einer Bestätigung. Er war glücklich damit, es einfach anzunehmen, es sei denn, er hörte Gegenteiliges. Mein Vater, der sein Leben lang als Ingenieur hart gearbeitet hatte, war ein stiller, disziplinierter Mann, völlig
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