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Zeit für Plan B

Zeit für Plan B

Titel: Zeit für Plan B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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unbedarft, wenn es darum ging, Zuneigung oder Besorgnis zu äußern. Ich nahm es nicht persönlich, was allerdings nicht heißen soll, dass ich je begeistert davon gewesen war.
    »Mir geht’s gut«, sagte ich. »Was macht dein Bein?« Meine Mutter litt seit kurzem an einer Arthritis im linken Knie, ein Leiden, dem weitaus mehr Bedeutung beigemessen wurde, als es eigentlich der Fall sein sollte, denn in den Augen meiner Mutter kündigte es den Beginn ihres Altwerdens an.
    »Gestern war es höllisch. Heute habe ich etwas Motrin genommen, und damit komme ich ganz gut über die Runden.«
    »Gut.«
    »Wie geht’s Sarah?«, fragte sie. Obwohl sie wusste, dass wir seit acht Monaten getrennt lebten, weigerte sie sich, diese Trennung als das anzuerkennen, was sie war, und zog es stattdessen vor, sie als eine Laune zu betrachten, die bei Paaren unserer Generation weit verbreitet ist und die wir einfach wieder ablegen müssen. Jedes Mal, wenn sie anrief, erkundigte sie sich hartnäckig nach Sarah, als sei alles in bester Ordnung, was ihr irgendwie half, diese Illusion aufrechtzuerhalten.
    »Gut«, sagte ich, während ich in Gedanken die Zähne zusammenbiss. »Gestern habe ich sie übrigens gesehen.«
    »Oh«, rief meine Mutter aus. Sie klang überrascht, ohne dass sie es wollte. »Ist sie wieder da?«
    »Äh, nein. Mom, wir haben uns scheiden lassen.«
    »Was soll das heißen, ihr habt euch scheiden lassen?«, fragte sie, als hätte ich mich vielleicht geirrt.
    »Das war’s, es ist vorbei.«
    »Ihr habt die Scheidungsunterlagen unterschrieben?«
    »Ja.«
    »Mit Anwälten?«
    »Ihrem und meinem.« Die Anwälte schienen sie für einen Augenblick zum Schweigen zu bringen. Ich hörte ein statisches Knistern, als sie die flache Hand übers Telefon legte und nach meinem Vater rief. »Herb, komm bitte her!«
    »Mom?«
    »Wann wolltest du uns das denn sagen?«, fragte sie, was gar nicht der springende Punkt war, aber sie wollte einfach etwas in der Hand haben, womit sie ihre Enttäuschung begründen konnte.
    »Wir haben die Papiere doch erst gestern unterzeichnet«, sagte ich.
    »Gestern«, hörte ich sie meinem Vater zuflüstern. Ich konnte mir vorstellen, wie sie es sagte, jede Silbe komisch übertreibend, so dass er es ihr von den Lippen ablesen konnte, obwohl er das garnicht musste, denn sie war grundsätzlich nicht imstande zu flüstern, eine Schwäche, die mich in meiner Jugend mehr als einmal in Verlegenheit gebracht hatte.
    »Hast du’s Ethan schon gesagt?«
    »Mir war eigentlich noch nicht danach zumute, mit jemand anders darüber zu reden, Mom.«
    »Na und? Er ist dein Bruder.«
    Ich zwang mich, die stille Anklage bei der Erwähnung meines älteren Bruders nicht zur Kenntnis zu nehmen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie damit auch gar nichts andeuten wollen, aber trotzdem verspürte ich noch immer jenen vertrauten Groll ungebeten in mir aufsteigen, eine bitter schmeckende Trockenheit in meiner Kehle. Nur vier Jahre älter als ich, war Ethan bereits Partner in einer kleinen, aber äußerst erfolgreichen Risikokapitalgesellschaft. Er war ebenfalls verheiratet, hatte zwei Kinder, und ein drittes war unterwegs, was alles zu seinem strahlenden Glanz als erfolgreicher Sohn beitrug. Im Grunde erfüllte er alle Träume unserer Mutter, und ich war der gescheiterte Chaot. Sie sagte nie etwas in dieser Richtung zu mir, deutete es nicht einmal an. Sie liebte uns beide und würde niemals bewusst versuchen, einem von uns wehzutun. Aber trotzdem, für mich war es offensichtlich an der Art, wie sich ihre Stimme veränderte, wenn auch noch so leicht, wenn sie Ethan erwähnte, an der unterschwelligen Ehrfurcht, mit der sie ihm bei Familientreffen begegnete, die im Allgemeinen in seinem riesigen Haus in Hewlett, Long Island, stattfanden. Es gab absolut nichts auszusetzen an dem Stolz, den sie angesichts der Leistungen meines Bruders empfand, aber ich merkte, wie ich immer gegen eine leise Eifersucht ankämpfte, wann immer ich diesen Stolz spürte. Was auch immer ich für mich selbst erreichen wollte, ich konnte nicht umhin, eine gewisse Verpflichtung als Sohn zu empfinden, meinen Eltern zuliebe erfolgreich zu sein, was vielleicht stillschweigend eine Rolle bei meiner Entscheidung gespielt hatte, Sarah überhaupt erst zu heiraten.
    Meine Mutter war nie in der Lage gewesen, echte Begeisterung für meinen Job bei
Esquire
aufzubringen, und wer wollte ihr das schon verübeln? Es hätte ein Sprungbrett sein sollen, das sich inzwischen jedoch

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