Zeit für Plan B
vor meinem geistigen Auge schon, wie Chuck bewusstlos zu Boden sank, die verräterische Spritze noch mit der Faust umklammert, und wie Jack sich mit dem harten Funkeln in seinen Augen und dem halben Lächeln, das er in seinen Actionfilmen benutzte, zu mir umwandte und sagte: »Was ist denn hier los, Ben?«
Aber Jack trat einfach an den Schreibtisch vor, schnappte nach Luft und sagte: »Ben, was ist denn das für eine Geschichte?« Falls er überrascht war, mich dort anzutreffen, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken, und ihm schien auch nicht aufzufallen, dass ich diesen OP-Anzug anhatte. Er trug eine Ray-Ban-Sonnenbrille und einen lila Lakers-Hut, um sein Gesicht zu verbergen. Sein Gesicht war gerötet, und er schwitzte stark, als sei er den ganzen Weg hierher gelaufen, oder zumindest die acht Stockwerke hoch. Auf einmal überkamen mich Schuldgefühle, dass wir ihm solche Sorgen machten, aber dann rief ich mir in Erinnerung, dass es schließlich Alisons Idee gewesen war. Harte Zeiten und so weiter.
»Mit Alison ist alles okay, Jack«, sagte ich. »Setz dich doch einen Augenblick.«
»Alles okay?«, fragte er, während er die Sonnenbrille und den Hut abnahm, noch immer angestrengt bemüht, sein Atmen unter Kontrolle zu bringen. »Hast du sie gesehen?«
»Ich habe sie gesehen, Jack«, sagte ich und stand hinter dem Schreibtisch auf. »Setz dich einfach hin, und ich erzähl dir, was los ist.«
Jack schob den geschwungenen Plastikstuhl ein Stück zurück und ließ sich hineinplumpsen. In dem Augenblick, in dem sein Gesäß auf den Stuhl traf, kam Chuck leise hinter der Tür hervor und rammte Jack ohne Zögern die Nadel von hinten in die Schulter. Jack stieß einen Schrei aus, zu einem Drittel vor Schmerz und zu zweiDritteln vor Überraschung, sprang hoch und riss einen Ellbogen reflexartig gegen den unsichtbaren Angreifer nach hinten. Der Ellbogen traf Chuck mitten ins Gesicht, und es knackte deutlich hörbar, kurz bevor ein Geysir aus Blut aus Chucks Nase nach oben schoss.
»Motherfucker!«
, brüllte Chuck, ließ sich auf die Knie fallen und bedeckte das Gesicht mit den Händen, während das Blut über seine Hände und auf den Boden strömte. Jack trat den Stuhl beiseite und schnellte herum, mit erhobenen Händen, den Körper zu einer sehr überzeugenden martialischen Haltung aufgebaut. Jack hatte zur Vorbereitung auf etliche seiner Filme mit Kampfsportexperten trainiert, und einiges davon war eindeutig hängen geblieben.
»Was zum Teufel ist denn eigentlich los?«, fragte Jack, während er auf Chuck hinunterstarrte. »Was hast du mir da eben reingejagt?«
Chuck rappelte sich hoch, griff nach ein paar Papiertüchern, die auf einem Regal an der Rückwand lagen, und presste sie sich auf die Nase. »Mein Gott, Jack!«, brachte er wimmernd hervor. »Verdammt, du hast mir die Nase gebrochen!«
»Was zum Teufel ist denn hier los?«, brüllte Jack wieder. »Ben!« Er schnellte zu mir herum, mit einem zornig aufflackernden Blick. Ich sah, dass die Nadel von der Spritze abgebrochen war und aus seiner Schulter hervorragte. Ich traf eine blitzschnelle Entscheidung. Ich entschied, dass dieser Plan verdammt beschissen war.
»Entspann dich, Jack«, sagte ich. »Es wird alles gut.« Während er eine Hand noch immer auf seine verletzte Nase gepresst hielt, streckte Chuck die andere nach Jack aus. »Es ist schon gut, Jack«, sagte er und griff nach seinem Arm, was zu einer folgenreichen Fehleinschätzung führte. Jack, der die Bewegung als neuerlichen Angriff wertete, klemmte Chucks Handgelenk mit einem Arm fest und schleuderte ihn in Richtung Schreibtisch, wo seine Oberschenkel mit einem nachhallenden dumpfen Geräusch aufschlugen. Chuck stöhnte leise auf und sank dann über dem Schreibtisch in sich zusammen.
»Jack, bleib cool!«, rief ich hilflos. Unser Plan war erst seit einer Minute im Gange, und schon war alles entsetzlich schiefgegangen. Ich sah, wie Jack einen Blick zur Tür warf, und begriff, dass er sich in die Richtung stürzen wollte. »Rühr dich nicht vom Fleck, Jack!«, schrie ich. »Rühr dich verdammt noch mal nicht vom Fleck!«
Es wirkte. Etwa drei Sekunden lang – und dann machte er einen Satz in Richtung Tür, aber noch bevor er sie erreicht hatte, schwang sie auf, und Alison trat ein und schloss sie leise hinter sich. Als Jack sie sah, fiel ihm die Kinnlade herunter. »Alison!«, flüsterte er. Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Es tut mir leid, Jack«, sagte sie, während sie
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