Zeit für Plan B
Kürbismann in meinem Rückspiegel kleiner wurde.
»Nein«, widersprach sie. »Du arbeitest als Journalist, Jack ist ein berühmter Schauspieler, Chuck ist Chirurg, mein Gott. Alison ist eine erfolgreiche Anwältin …«
»Chuck ist nicht fähig, eine ernst zu nehmende Beziehung zu führen«, sagte ich. »Alison hat es noch nie mit irgendjemand, mit dem sie einmal ausgegangen ist, zu irgendetwas gebracht, weil sie immer noch völlig vernarrt in Jack ist. Wir wissen alle, wie toll es Jack geht. Und ich bin geschieden, unzufrieden mit meinem Job und noch nicht einen Schritt näher an einem fertigen Roman, als ich war, als ich geheiratet habe. Danke, jetzt hast du mich deprimiert.«
»Das warst du auch schon vorher«, sagte Lindsey und lächelte.
Ich sagte: »Ich denke, einer der Nachteile, nichts mit seinem Leben anzufangen, besteht darin, dass man sich nie wirklich sicher sein kann, wann man es bewerkstelligt hat.«
Lindseys Lächeln nahm einen traurigen Zug an. »Es ist, als hätten wir alle irgendwann einmal so entschlossen angefangen, so sicher,welche Richtung wir einschlagen wollten, und jetzt haben wir uns verlaufen und drehen uns nur noch im Kreis«, sagte sie und schnallte sich los, während ich auf den Parkplatz vor Edward’s einbog. »Wir stecken alle in diesem Trott, weißt du?«
»Der einzige Unterschied zwischen einem Trott und einem Grab ist die Tiefe«, sagte ich.
»Mein Gott, das ist aber düster.«
»Ich meine doch bloß, dass wir nicht mehr alle Zeit der Welt haben, um alles im Voraus zu planen«, sagte ich. »Manchmal denke ich mir, ich bin nicht verloren, nur ein bisschen im Rückstand, verstehst du? Und dann verspüre ich diesen entsetzlichen Druck, aufzuholen, aber ich kenne nicht einmal den ersten Schritt, den ich dafür unternehmen müsste. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich mich in die Ehe gestürzt habe.« Ich drehte mich zu ihr um und sah sie an. »Ich bin dreißig Jahre alt. Scheiße. Inzwischen hätte ich eigentlich mindestens einen Roman veröffentlichen sollen. Ich hätte eine Frau und ein Kind und ein Haus in irgendeiner ruhigen Gegend haben sollen, in der man nachts die Grillen hört. Irgendwo dort draußen ist dieses völlig andere Leben, das ich führen sollte, und offenbar kann ich es einfach nirgends finden.«
»Auf dem College warst du dir noch völlig sicher, dass die Zukunft sich genau so entfalten würde, wie du es willst«, sagte Lindsey.
»Ich weiß.« Ich dachte einen Augenblick lang darüber nach. »Die Zukunft ist eben auch nicht mehr das, was sie einmal war.« Sie kicherte.
»Du lachst«, sagte ich. »Aber es stimmt. Nichts ist nach Plan verlaufen.«
»Weißt du, wie du Gott zum Lachen bringen kannst?«, fragte mich Lindsey, als wir aus dem Wagen stiegen.
»Wie?«
»Mach einen Plan«, sagte sie.
Das Stadtzentrum von Carmelina bestand im Grunde aus zwei Straßen, Main Street und Maple Street, die sich auf einem Kreisverkehr aus Kopfsteinpflaster kreuzten, in dessen Mitte man einen kleinen Park mit Bänken und der grünlichen Kupferstatue eines Soldaten der Union zu Pferd angelegt hatte. Anders als etwas weiter nördlich gelegene Catskills-Städte wie Roscoe oder Monticello war Carmelina keine Arbeiterstadt im strengen Sinn, die von der Industrie abhängig war, die man um die »Sommerfrischler« herum aufgebaut hatte, um die Bewohner durch die grimmigen Winter zu bringen. Die Stadt lag nah genug an der Großstadt, um für eine beträchtliche Anzahl von Mittelstandsfamilien attraktiv zu sein, die das ganze Jahr über dort lebten. Daher hatte Carmelinas Einkaufsgegend einen ländlichen, bäuerlichen Charakter, ohne auch nur ein bisschen verwahrlost zu wirken. Die Straßen wurden von einer charmanten Ansammlung von Tante-Emma-Läden gesäumt, mit Namen wie Curly’s Comics, Parker’s Trödelbasar, die Fudge-Fabrik Carmelina, Klamotten für Kids, der Itty-Bitty-Geschenkshop, Rich’s Eisenwarenhandel, Taschenbücher & Mehr und Mane Tamers Hair-Salon. Wenn man Geschäfte wie Banana Republic, T. C. B. Y. oder Sam Goody suchte, musste man auf der Route 17 noch einmal dreißig Meilen zurück auf die Middletown Mall fahren.
Es war Spätnachmittag, Einkaufszeit auf der Main Street, was bedeutete, dass sich um die dreißig Leute auf den Straßen befanden, hauptsächlich Mütter mit kleinen Kindern und ältere Ehepaare. Jeder, der uns entgegenkam, sagte entweder hallo oder grüßte mit einem Lächeln, was einem bestätigte, dass man tatsächlich Masse besaß
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