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Zeit für Plan B

Zeit für Plan B

Titel: Zeit für Plan B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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und Raum einnahm. Es war himmelweit entfernt von Manhattan, wo man sich schon in einer überfüllten U-Bahn leicht fragen konnte, ob man überhaupt existierte.
    »Es ist wie eine Filmkulisse«, bemerkte Lindsey, während sie sich bei mir unterhakte. »Es kommt mir vor wie die Anfangsszene eines Weihnachtsfilms.« Wir schlenderten ein bisschen durchdie Gegend, betrachteten die Geschäfte (Cora’s Krimskrams, Fat Man’s Eisbude), und ich genoss das Gefühl, dass uns alle Leute, die uns entgegenkamen, für ein ganz normales Pärchen hielten. Die Schlichtheit dieser Kleinstadt schuf eine Wirklichkeit, in der für die komplexe Natur meiner gegenwärtigen Lebenssituation kein Platz war. In diesem Augenblick waren wir ein Paar. Ich zog meinen Ellbogen ein und drückte Lindsey näher an mich, während wir den Bürgersteig entlangspazierten. Sie zog sich nicht zurück, und mit einem raschen seitlichen Blick erhaschte ich die Spur eines amüsierten Lächelns auf ihrem Mundwinkel.
    Lindsey hatte Lust zu laufen, also gingen wir die Main Street weiter hinunter, aus der Einkaufsgegend hinaus, wo sie um ein ausgetrocknetes Maisfeld bog und nicht mehr zu erkennen war. Der Bürgersteig hörte auf, und man konnte spüren, wie die Immobilienpreise mit jeder Straßenkurve fielen. Die Häuser, an denen wir vorbeikamen, waren einstöckige Fertighäuser, die Art, die mit riesigen Sattelschleppern über die Autobahn ausgeliefert werden, mit Warnblinklichtern und Schildern, auf denen »Schwerlasttransport« steht. In jeder Einfahrt sah man entweder einen Pick-up oder Ölflecken, die die Stelle kennzeichneten, an die im Laufe des Tages einer zurückkehren würde. Die Männer, die diese Pick-ups lenkten, hatten vermutlich harte Gesichtszüge und schwielige, ölverschmierte Hände. Die Art Männer, verglichen mit deren rauer Natur Großstadtpinkel wie ich sich schwach und unmännlich fühlten.
    »Hast du irgendwo Bahngleise bemerkt?«, fragte ich Lindsey.
    »Nein, warum?«
    »Weil wir sie irgendwo auf die falsche Seite überquert haben.«
    »Es ist vielleicht nicht mehr Carmelina, aber es sind immer noch die Catskills«, sagte sie. Mir fiel auf, dass sie sich nicht mehr an meinem Arm festhielt, und ich fragte mich, ob es unabsichtlich war oder ob sie ihn bewusst zurückgezogen hatte.
    »Ich kann mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal allein so zusammen gewesen sind«, sagte ich, was die für mich typische schwächliche Art war, das Thema ganz allgemein zur Sprache zu bringen.
    Sie warf mir einen stirnrunzelnden Blick zu, womit sie mir zu spät bestätigte, dass ich besser nichts gesagt hätte. »Ich bin sicher, das kannst du schon«, sagte sie, wobei sich eine Spur Sarkasmus in ihre Stimme schlich.
    Das Schlaueste wäre es in dem Augenblick gewesen, einfach den Mund zu halten und weiterzulaufen, die Peinlichkeit des Augenblicks hinter sich zu lassen, also blieb ich stehen und fragte: »Was ist denn eben passiert?«
    Sie wandte sich zu mir um, mit düsterer Miene. »Wie wär’s, wenn wir diese Richtung im Augenblick einfach nicht einschlagen, okay?«
    »Welche Richtung?«, fragte ich.
    Sie warf mir einen Blick zu. »Du weißt verdammt gut, welche Richtung. Ständig musst du die Vergangenheit zur Sprache bringen. Nie kannst du es einmal dabei bewenden lassen.«
    »Wovon redest du eigentlich?«
    »Deinem Mangel an Urteilsvermögen, nehme ich an.«
    »Nein, ich meine, wieso glaubst du das?«, sagte ich, wobei ich versuchte, nicht allzu defensiv zu klingen. »Ich habe doch gar nicht versucht, irgendetwas zur Sprache zu bringen.«
    »Doch«, sagte sie wütend. »Das hast du. Du kannst nicht einen einzigen Augenblick einfach akzeptieren, ohne ihn genau unter die Lupe zu nehmen.«
    Ich muss ziemlich kläglich dreingeblickt haben, denn ihre Miene nahm einen sanfteren Zug an, und sie trat näher an mich heran und legte mir die Hände auf die Schultern. »Hör zu«, sagte sie. »Ich bin wirklich froh, dass wir diese Zeit jetzt zusammen verbringen. Ich habe es schrecklich vermisst, mit dir zu reden. Aber mach esjetzt nicht kompliziert, indem du diese alten Sachen wieder hervorkramst. Dort wirst du keine Antworten finden.«
    Wir sahen uns eine Minute lang an. »Na schön«, sagte ich schließlich, eher ein Zugeständnis als eine Zustimmung. Ich spürte, wie irgendetwas in meiner Brust, etwas Warmes, Flatterndes, langsam in sich zusammenschrumpfte. Es war absolut lächerlich, dass ich mich in diesem Augenblick so untröstlich fühlte wegen dieser

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