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Zeit für Plan B

Zeit für Plan B

Titel: Zeit für Plan B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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Lockvogel

    »Von Julia Roberts zu Jack in dreien«, forderte ich die anderen heraus.
    »Amateur«, sagte Lindsey. »Julia Roberts war mit John Malkovich in
Mary Reilly
…«
    Und so ging es weiter, bis spät in die Nacht hinein. Wir spielten das Spiel, wir unterhielten uns, wir schwelgten in Erinnerungen und schlürften heißen Cidre, während wir uns in dem tröstlichen, blaugrünen Schimmer des Fernsehers aalten, als sei er ein Feuer. Irgendwann erhob ich mich vom Boden und gesellte mich zu Lindseyund Alison auf die dick gepolsterte Couch. Der Geruch der Ledercouch vermischte sich in meinen Nasenlöchern mit dem Aroma des heißen Cidres und dem Duft von femininem Shampoo. Ich schloss die Augen und lehnte mich zurück und nahm all die tröstlichen Empfindungen, die mich umgaben, tief in mich auf. Zum ersten Mal seit Jahren hatte ich das Gefühl, als würde die Zeit sich endlich verlangsamen, zumindest für eine kurze Weile. Irgendwann nickten wir allmählich ein, aber anstatt nach oben zu gehen, rückten wir unter der Decke nur näher zusammen, wie drei neugeborene Welpen, und fanden Wärme und Sicherheit in der Nähe der anderen. Ich schlief so gut wie schon seit Monaten nicht mehr.

18

    A m nächsten Morgen wachte ich zu einer Zeit auf, die wir auf dem College als die Arschspalte der Morgendämmerung bezeichnet hatten, löste mich aus den schlafenden Körpern von Lindsey und Alison, schlüpfte in eine Jacke aus dem Wandschrank im Flur und ging an den See hinunter. Hinter Alisons Beamer stand ein neu aussehender Taurus in der Einfahrt, in einem grellen Blau, das nach Mietwagen schrie. Chuck saß bereits am See, auf einer Holzbank neben der Anlegestelle der Schollings, und rauchte eine Zigarette. »Hey«, sagte ich.
    »Hey.«
    »Was machst du denn da?«
    »Ich hänge einfach meinen Gedanken nach«, sagte Chuck.
    »Du begibst dich also auf unerforschtes Terrain.«
    »Sehr witzig.«
    »Wann bist du denn zurückgekommen?«
    »Gegen zwei oder so.«
    »Wir haben dich gar nicht gehört.«
    »Ich weiß. Ich hab kurz zu euch reingeschaut.« Er schenkte mir ein verschwörerisches Grinsen, während er eine grauweiße Rauchfahne ausstieß. »O Mann, nicht schlecht. Zwei von denen auf einmal, was? Du bist ja ein wilder Typ.«
    »Deine Nase sieht schon viel besser aus«, sagte ich.
    »Ja«, sagte er und rieb sie geistesabwesend. »Ich hab sie mir richten lassen. Ein Typ in der Orthopädie, den ich kenne, hat’s gemacht.«
    »Wirklich schade. Ich mochte irgendwie die Art, wie sie dein Gesicht verborgen hat.«
    »Danke.«
    Die Sonne tauchte eben über der gegenüberliegenden Seite des Sees auf, ein verschwommener, nebliger Ball, der einen orangeroten Schimmer über das umliegende Blau warf. Träge stieg der Nebel aus dem See empor und schien alle Geräusche zu dämpfen bis auf das gelegentliche Rülpsen eines Ochsenfroschs. Ich fragte mich, was die Frösche wohl im Winter machten. Hielten sie Winterschlaf? Starben sie?
    Plötzlich hörten wir ein lautes Rauschen, das von oben kam, und als wir aufblickten, sahen wir eine Schar Gänse, die zur Landung ansetzten. Es mussten etwa fünfzehn sein. Einträchtig kreisten sie über dem See, flogen zum anderen Ufer hinüber und ließen sich dann im Gleitflug auf der Wasseroberfläche nieder, die Schwimmfüße wie ein Fahrgestell nach vorn ausgestreckt. Innerhalb von Sekunden herrschte auf dem eben noch stillen See geschäftiges Treiben. Chuck und ich sahen staunend zu.
    »Das war ziemlich eindrucksvoll«, sagte Chuck, während er seine Zigarette ausdrückte. »Ich finde, wir sollten jetzt eigentlich einen britischen Begleitkommentar hören, der uns etwas über den Migrationszyklus der gefleckten Gans erzählt.«
    Ich lächelte. »Sogar die Natur ist für uns nicht mehr als eines dieser Dinge, die man im Fernsehen sieht.«
    Wir hörten, wie hinter uns eine Tür ins Schloss fiel, nicht am Haus der Schollings, sondern nebenan, und als wir uns umdrehten, sahen wir einen etwa achtjährigen Jungen, der zum See hinunterlief, gefolgt von einem großen Golden Retriever. Der Junge sah mager aus in seinem rot-schwarzen Flanellhemd und den Jeans, mit schmutzigem blondem Haar, das erst vor kurzem geschnitten worden war. Er zögerte einen Augenblick, als er uns sah, doch dann nahm er den Hund an die Leine und kam weiter auf uns zu.
    »Hi«, sagte er, als er zu unserer Bank kam.
    »Hallo«, sagte ich, und Chuck grüßte mit einer Handbewegung.
    »Wohnt ihr bei den Schollings?«
    »Wir sind

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