Zeit für Plan B
Sie.«
»Wo ist Jack?«
»Das sollte ich lieber Sie fragen«, sagte Chuck. »Sie sind doch sein verdammter Agent.«
»Sie haben keine Ahnung, was Sie da tun!«, schrie Seward.
»Das hörte sich nach einer weiteren Meinung an«, sagte Chuck. »Und Sie wissen ja, wie es so schön heißt: Meinungen sind wie Arschlöcher …«
»Sie verdammter Idiot«, schrie Seward. »Ich werde Sie an den Eiern aufspießen, wenn ich …«
»Sie können sie gern haben, alle beide«, sagte Chuck abschließend und drückte auf das schnurlose Telefon, um das Gesprächzu beenden. Ich beugte mich rasch vor, um die Mithöranlage auszuschalten. Als ich auf den Knopf drückte, stellte ich entsetzt fest, dass meine Hände zitterten.
»Scheiße!« Chuck kam ins Zimmer gestürmt. »Er hat mich völlig überrumpelt. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte!«
»Es war nicht deine Schuld, Chuck«, sagte ich. »Du musstest den Funkruf erwidern.«
»Mit dieser Anruferanzeige kriegt er uns«, murmelte Chuck.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte Lindsey.
»Wir sitzen in der Patsche«, sagte Chuck. »Jetzt wissen sie, wo wir sind.«
»Nein«, sagte Alison. »Seward hat den starken Verdacht, dass wir irgendetwas gemacht haben, und jetzt weiß er, in welchem Vorwahlbereich wir uns befinden. Das ist alles.«
»Mit einer Telefonnummer kann uns die Polizei ausfindig machen«, sagte ich.
»Ich glaube aber nicht, dass Seward sich an die Polizei wenden wird«, sagte Alison. »Jedenfalls nicht gleich.«
»Wieso nicht?«, fragte Chuck.
»Er wird nicht wollen, dass die Sache völlig aus dem Ruder läuft«, sagte Alison. »Er glaubt immer noch, er kann die Situation retten und ihr die Wendung geben, die er gern hätte. Sobald er diese Sache der Polizei übergibt, verliert er die Kontrolle und den Einfluss. Und in seiner Branche ist das das Schlimmste, was ihm passieren könnte.«
»Was wird er also tun?«, fragte ich.
»Er wird selbst versuchen, uns zu finden«, sagte Alison.
20
D reißig … scheiße!
Krähenfüße, Hängebacken, Hüftspeck. Ich habe begonnen, mich selbst mit den Augen der Teenager zu betrachten, denen ich auf der Straße begegne, und bin immer wieder entsetzt, wenn ich begreifen muss, dass sie mich als uralt ansehen. Bei so vielem, was ich jahrelang ungestraft gegessen habe, bekomme ich auf einmal Verdauungsprobleme. Nichts fühlt sich noch neu an. Alles, was ich sehe, erinnert mich an irgendetwas anderes. Ich weiß jetzt, dass es bestimmte Dinge gibt, die ich in meinem Leben niemals tun werde. Ein Hemd, das ich immer noch für neu halte, ist tatsächlich schon sieben oder acht Jahre alt. Die Jahreszeiten vergehen schneller, Urlaube sind leicht verwirrend. Statistisch betrachtet habe ich bereits über ein Drittel meiner Lebensspanne verbraucht, das gesündeste Drittel. Und was habe ich dafür bekommen? Wo ist die Autorität? Die Weisheit? Das Selbstvertrauen, das mit dem Erwachsenendasein angeblich einhergeht? Ich bin lediglich erfahren genug, um zu wissen, dass ich genauso ratlos bin, wie ich es immer war.
Für den Rest des Abends waren wir alle ein wenig aufgedreht, zum einen wegen Sewards Anruf, zum anderen wegen der Berichterstattung in den Abendnachrichten, und wir wussten nicht, was wir mit uns anfangen sollten. Natürlich war es uns unheimlich, aber es hatte zweifellos auch etwas Aufregendes, Teil einer solch großen Story zu sein, sie als Eingeweihter zu erleben. Vergaßen wir doch einfach Seward, wir wussten mehr als Tom Brokaw, verdammt noch mal! Wir
waren
die Nachricht.
Nach einem schnellen, späten Abendessen, das aus tiefgefrorenenPizza-Bagels und Pommes frites bestand, zogen wir uns in unsere Schlafzimmer zurück. Jeder von uns schien eine Auszeit zu benötigen, um zu überdenken, was wir hier eigentlich taten. Ich stellte mich kurz unter die Dusche, schlüpfte in Boxershorts und ein Ben-Folds-Five-T-Shirt und legte mich schlafen. Über das Telefon auf meinem Nachttisch hörte ich meinen Anrufbeantworter zu Hause ab, eigentlich eher aus Gewohnheit, nicht dass ich wirklich irgendwelche Nachrichten erwartete. Es war eine kurze Nachricht von Ethan eingegangen, der sagte, er hätte von der Scheidung gehört und wolle sich nur erkundigen, was denn eigentlich los sei. Kein Rückruf nötig. Danach eine von meiner Mutter, die mich nur wissen lassen wollte, dass sie meinem Bruder von der Scheidung erzählt hatte, da sie der Ansicht sei, er sollte es wissen, und ich hätte es ihm doch wirklich sagen sollen, aber
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