Zeit für Plan B
schnellte sie herum und raffte ihr Haar in einer Faust zusammen. »Kann vielleicht irgendjemand diesen gottverdammten Alarm abstellen!?«
Ich rannte in den Flur hinaus, wobei ich den lederbezogenenSchreibtischstuhl hinter mir herzerrte. Ich stellte mich auf den Stuhl, und nach ein paar Versuchen gelang es mir, das Plastikgehäuse von der runden Vorrichtung an der Decke zu schrauben. Ich konnte nirgends einen Schalter entdecken, daher riss ich einfach die Neun-Volt-Batterie heraus und sprang wieder auf den Boden. Die eintretende Stille war so greifbar, dass sie uns wie ein völlig neues Geräusch vorkam.
»Ich glaube, wir haben ihn ernsthaft verletzt«, sagte Alison, als ich zurück ins Zimmer kam.
»Dann sind wir ja jetzt quitt«, schnaubte Chuck. Das Blut, das aus seinem Nasenloch getröpfelt war, war auf seiner Oberlippe getrocknet, und ich begriff, dass ihm vielleicht nicht einmal bewusst war, dass er geblutet hatte.
»Er wird’s überleben«, sagte Lindsey matt. »Er wird eine Runde schlafen, dann geht’s ihm wieder gut.« Sie beugte sich nach unten und drückte Jack eine Hand aufs Gesicht.
»Lass ihn in Ruhe«, fauchte Alison und fegte Lindseys Hand beiseite. Lindsey sah aus, als hätte man ihr eine Ohrfeige verpasst. Sie starrte Alison ungläubig an, und Tränen traten ihr in die Augen.
»Ich glaub’s einfach nicht«, sagte sie mit zitternden Händen. »Er hätte uns alle umbringen können!«
»Ben und Chuck hatten ihn im Griff.«
»Hey!«, sagte ich. »Wir hatten ihn überhaupt nicht im Griff.«
»Es war eher so, dass er uns im Griff hatte«, sagte Chuck. Alison ignorierte uns, wiegte Jacks Kopf in ihren Händen.
»Ich lasse euch allein«, murmelte Lindsey und stürmte aus dem Zimmer.
Chuck und ich hoben Jack vom Boden auf und legten ihn aufs Bett. Sein Körper fühlte sich schweißverklebt an, und wir rieben ihn mit einem Handtuch ab, bevor wir ihn in eine Decke wickelten. Chuck drückte Jack mit dem Daumen nacheinander beide Augenlider auf und besah sich seine Pupillen, dann maß er noch einmalseinen Puls. Ich konnte erkennen, dass Jacks Atem schwach, aber gleichmäßig ging. »Es ist alles okay mit ihm«, sagte Chuck leise.
Alison hockte sich neben dem verkohlten Haufen Bücher auf den Boden und begann, sie durchzugehen, wobei sie leise vor sich hin weinte. Chuck und ich sahen uns hilflos an; wir wussten nicht, ob wir ihr beim Aufräumen helfen oder sie einfach eine Weile allein lassen sollten. Es lag ein solch herzzerreißendes Elend in ihrem stillen Schluchzen, dass wir uns außerstande fühlten, auf sie zuzugehen. Ein paar Augenblicke später kam Lindsey an der offenen Tür vorbei und hielt abrupt inne, als sie Alison auf dem Boden sitzen sah. Sie zögerte für einen kurzen Augenblick, dann kam sie ins Zimmer und ließ sich hinter Alison auf die Knie nieder, warf Alison die Arme um den Hals und lehnte sich nach vorn, so dass ihre Wangen aneinandergedrückt wurden. Nach ein paar Sekunden streckte Alison wortlos die Arme nach oben aus und legte sie um Lindseys, und dann saßen sie einfach da und wiegten sich leise vor und zurück, wie zu einem langsamen, geheimen Lied, das nur sie beide vernehmen konnten.
21
I ch wachte gegen halb elf auf und fragte mich einen Augenblick lang, ob die ganze Episode der letzten Nacht vielleicht nur ein lebhafter Traum gewesen war, aber der Geruch des Rauchs lag immer noch schwach in der Luft, und als ich mein Hemd aufnahm, stieg mir ein penetranter Gestank in die Nase. Ich rollte mich aus dem Bett und ging den Flur hinunter in Richtung Dusche. Ich hörte, wie Lindsey und Alison unten im Flüsterton miteinander sprachen. Auf dem Flur lief mir Chuck über den Weg, der auf dem Weg nach unten war, um sich zu ihnen zu gesellen. »Guten Morgen«, sagte er.
»Wie fühlst du dich?«, fragte ich, seinen Zusammenprall mit dem Sofa noch gut in Erinnerung. Bis jetzt hatte Chuck an körperlicher Misshandlung eindeutig das meiste abbekommen.
»Ich werd’s überleben«, sagte er. »Ich frage mich nur, was er sonst noch alles für uns auf Lager hat.«
»Meinst du, die letzte Nacht kann er noch überbieten?«
Chuck zuckte die Schultern. »Wer weiß? Aber eines kann ich dir sagen. Wenn ich das nächste Mal zwischen ihm und der offenen Tür stehe, werde ich einfach einen Schritt zurücktreten und sie aufhalten.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Das würde ich dir nicht verübeln.« Er nahm die erste Stufe die Treppe hinunter. »Chuck?«
»Ja?«, sagte er und hielt
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