Zeit für Plan B
Vorwürfe nicht bestritt.
Während Hollywood über das Schicksal seines jüngsten Superstars nachgrübelt, muss ein berühmter Regisseur die Sache zunächst einmal ausbaden. Luther Cain hat vom Set für
Blue Angel II
aus mit uns gesprochen, wo Shaws Verschwinden den Beginn der Vorproduktion verzögert hat.«
Dann folgte eine Nahaufnahme von Luther Cain im Studio. Ein hochgewachsener, kantiger Mann, dessen völlig kahler Kopf durch seine komisch buschigen Augenbrauen unterstrichen wurde. In seinem Blick lag dieser gebannte Ausdruck eines Künstlers bei der Arbeit, aber sein Tonfall war sanft und ausgeglichen. »Wir wissen nicht, wo Jack ist, und im Augenblick machen wir uns einfachSorgen um ihn. Ich hoffe, dass es ihm gut geht und wir noch vor morgen gute Nachrichten erhalten.«
Zurück zu Brokaw. »Cain, der Regisseur und Oscar-Preisträger, dessen Film
Blue Angel
Jack Shaw zum Star gemacht hat, wollte zu den finanziellen Auswirkungen von Shaws Verschwinden keine Angaben machen. Dabei gehe es lediglich um Geld, und im Augenblick sei es ihre einzige Sorge, zu erfahren, dass Jack Shaw wohlauf ist. Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen in dieser Sache auf dem Laufenden halten.«
Wir stellten den Fernseher ab und sahen uns an. Obwohl wir gewusst hatten, dass die Story irgendwann einschlagen würde, hatten wir alle insgeheim doch gehofft, dass sie es nicht tun würde. Jetzt, da Jack offiziell vermisst wurde und dieser Idiot von Tom Brokaw es für nötig befunden hatte, seinen Kommentar dazu abzugeben, wurden wir irgendwie überwältigt vom Ausmaß dessen, was wir getan hatten. Dem Ärger, den wir uns damit vielleicht einhandeln würden.
»Ach du grüne Neune«, flüsterte Chuck.
»Das war ziemlich heftig«, sagte Lindsey.
»Vielleicht sollten wir Seward anrufen«, sagte ich. »Ihn dazu bringen, die Jagd abzublasen.«
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst«, sagte Chuck. »Seward muss irgendjemandem die Schuld für Jacks Verschwinden in die Schuhe schieben. Wenn wir es ihm sagen, dann sind wir seine Sündenböcke gegenüber den Medien, der Polizei, einfach allen. Er wird alles in seiner Macht Stehende tun, um zu zeigen, dass irgendjemand anders, bloß nicht Jack, an dieser Sache schuld ist.«
»Er hat recht«, sagte Alison matt. Sie hatte einen Großteil des Tages mit Ruthie Miller verbracht und war erschöpft davon, die Trauer dieser Frau mit ihr geteilt zu haben. »Jack hatte sowieso schon Probleme damit, sich versichern zu lassen, aber jetzt ist er zum ersten Mal gar nicht zur Arbeit erschienen. Es wird in Zukunft nahezuunmöglich sein, Jack überhaupt noch irgendwo zu versichern – es sei denn, jemand anders ist dafür verantwortlich.«
»Habe ich das jetzt richtig verstanden?«, fragte ich. »Wir bleiben also noch etwa eine Woche hier, bis Jack von seiner Sucht losgekommen ist, stimmt’s? Na großartig. Jetzt haben wir genau zwei Möglichkeiten. Jack kann zurück zu Seward gehen, und zur Polizei, unsere Namen unerwähnt lassen, dann wird er im Grunde nie wieder arbeiten. Oder wir melden uns und geben zu, dass wir an dieser Geschichte schuld sind, dann wird Jack vielleicht wieder arbeiten können, und wir gehen dafür in den Knast. War das vielleicht die Idee hinter diesem Plan? Wir entscheiden uns zwischen Jacks Karriere und unserem Leben?«
»Nicht ganz«, sagte Lindsey.
»Wie meinst du das?«
»Ich glaube nicht, dass diese Entscheidung bei uns liegt. Sie liegt bei Jack.«
»Kann ich euch eine einfache Frage stellen?«, sagte Chuck.
»Meinetwegen.«
»Was zum Teufel haben wir uns eigentlich gedacht?«
Die restlichen Nachrichten sahen wir in bedrücktem Schweigen, das hin und wieder von Chuck unterbrochen wurde, der alle paar Minuten »dieser gottverdammte Tom Brokaw« vor sich hin murmelte, in einem irgendwie ehrfurchtsvollen Tonfall. Ich war so sehr mit anderen Dingen beschäftigt, dass ich die Zählung der Toten völlig vergaß.
Nach den Nachrichten stellten wir den Fernseher ab, und Alison klappte die Mahagonibar in der Ecke des Wohnzimmers auf und fragte: »Irgendjemand was zu trinken?«
»Wenn du das übernimmst, trinke ich etwas«, sagte Chuck. Wir gingen die Cocktails ziemlich schnell durch, und Alison war es bald leid, jedem seinen Drink neu zu mixen, also stellte sie einfacheinen gewaltigen Krug mit Wodka und Preiselbeersaft auf den Couchtisch. Lindsey fummelte an der Stereoanlage herum, bis sie den CD-Player in Gang gesetzt und ein altes Joe-Jackson-Album aufgelegt
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