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Zeit für Plan B

Zeit für Plan B

Titel: Zeit für Plan B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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sehen uns.«
    »Ja.« Er wandte sich zum Gehen, und dann drehte er sich noch einmal zu mir um. »Bist du sicher, dass ich die Maske haben kann?«, sagte er.
    »Eindeutig«, sagte ich. »Ein Mann in meinem Alter sieht nicht besonders intelligent aus, wenn er allzu viele Spielsachen hat. Das macht die Leute irgendwie verlegen.«
    Er lächelte mir zu, mit einer aufrichtigen Miene, aus der mehr Verständnis zu sprechen schien, als es eigentlich der Fall sein sollte.
    »Danke, Ben«, sagte er und wandte sich zu seiner Mutter um.
    »Hey, Jeremy«, sagte ich leise, so dass sie es nicht hören konnte.
    »Ja?«
    »Möge die Macht mit dir sein.«

23

    D er Regen auf dem Land hat etwas, was ich als zutiefst befriedigend empfinde. Der Regen in den Catskills macht keine halben Sachen. Er fällt härter und heftiger als in der Großstadt, da es hier nur wenig betonierte Infrastruktur gibt, die seine Entladung absorbieren kann. Die Bäume zischeln unter dieser Sintflut, und es kommt einem vor, als würden sämtliche Blätter auf einmal mit einem Seufzer ihren Durst löschen, unterbrochen lediglich vom Geräusch des Donners, dessen Echo kraftvoll über den Himmel hallt und an den Fenstern rüttelt. Man ist eins mit den Bäumen und dem Gras, Teil eines lebendigen Teppichs, ganz anders als in der Stadt, wo man allein und abgeschnitten ist. Lindsey und ich trugen zwei Stühle auf die Veranda und setzten uns schweigend, sahen dem Regen zu und hielten nach Blitzen über dem See Ausschau. Es war die erste stille Zeit, die wir zusammen verbrachten, seit wir zwei Tage zuvor jenen unseligen Spaziergang durch die Stadt unternommen hatten.
    »Tut mir leid, das mit dem Streit neulich«, sagte sie und legte mir eine Hand auf den Arm. »Ich hab einfach überreagiert.«
    »Mein Gott, das scheint schon eine Ewigkeit her zu sein«, sagte ich. »Es war meine Schuld. Denk gar nicht mehr dran.«
    »Seitdem bist du die ganze Zeit auf Distanz zu mir gegangen.«
    »Das war nicht meine Absicht.«
    Wir saßen ein paar Augenblicke da, und dann griff sie nach meiner Hand, und ich sah zu, wie unsere Finger ineinanderglitten. Ich spürte, wie ich leise zitterte, und mir wurde bewusst, dass ich trotz der Ablenkungen der vergangenen Tage noch immer ernsthaft deprimiert von dem war, was sie gesagt hatte, und darüber, wie es uns zurückgelassen hatte. Ich machte den Mund auf, um etwasanderes zu sagen, aber dann zwang ich mich, zu schweigen, ihre Hand zu halten, auf den Regen zu lauschen und für den Augenblick zu leben. Und das tat ich auch.
    Etwa eine Stunde später rissen die Wolken auf, und der Himmel ließ sich wieder blicken. Ich nahm Lindsey mit hinunter an den See, um ihr die Gänse zu zeigen. Die Sonne verschwand in diesem Augenblick hinter den Bäumen und warf ein schimmerndes Glitzern auf die regennassen Blätter und blutende, karmesinrote Streifen in die niedrigen Wolken am Horizont. Die stille, dunkle Wasseroberfläche des Sees spiegelte den Sonnenuntergang perfekt wider. Wir saßen auf der Bank, mein rechtes Knie gegen ihr linkes gedrückt, und beobachteten, wie die Gänse die letzten Verrichtungen des Tages erledigten. Einige jagten immer noch nach Nahrung, die Hinterteile komisch in den Himmel gereckt, während sie die Köpfe untertauchten. Die meisten von ihnen suchten sich jedoch bereits Stellen am Ufer, an denen sie für die Nacht Unterschlupf finden konnten. Sie schwammen ans Ufer und sprangen dann flügelschlagend an Land. Das flatternde Geräusch ihrer Flügel klang wie ein geballter Windstoß, kraftvoll und elementar.
    »Es ist ein solch schlichtes Dasein«, sagte Lindsey bewundernd.
    »Sie wachen mit der Sonne auf, und sie legen sich mit der Sonne schlafen.«
    »Und dazwischen tun sie nichts als schwimmen, fressen und sich ausruhen«, sagte ich.
    »Nicht gerade eine komplizierte Lebensweise.«
    »Du klingst, als ob du sie beneidest.«
    »Das tue ich auch.«
    »Machst du dir Sorgen?«, fragte ich sie. »Wegen dieser ganzen Geschichte mit Jack, nachdem sie jetzt öffentlich bekannt geworden ist?«
    Sie dachte eine Minute darüber nach. »Eigentlich nicht. Ich denke bloß, es wäre irgendwie schon absurd, wenn wir alle im Knast landenwürden, verstehst du? Wer würde denn schon seine Zeit damit verschwenden, uns in den Knast zu stecken?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich meine, ich kann einfach nicht glauben, dass Jack uns aus freien Stücken verklagen würde …«
    »Ach, mach dir deswegen keine Sorgen«, sagte sie und beugte sich

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