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Zeit im Wind

Zeit im Wind

Titel: Zeit im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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Kopf sinken und fing an zu weinen. Ich nahm sie in die Arme und wunderte mich, daß sie so traurig war. Sie war dünn; erst jetzt merkte ich, wie zerbrechlich sie eigentlich war. Sie hatte abgenommen, sogar in den letzten anderthalb Wochen. Dann fiel mir ein, daß sie das Essen in Cecil's Diner kaum angerührt hatte. Sie weinte ziemlich lange, so schien mir, an meiner Brust. Ich wußte nicht, was ich denken sollte oder ob sie meine Gefühle teilte. Dennoch tat es mir nicht leid, die Worte ausgesprochen zu haben. Die Wahrheit bleibt die Wahrheit, und ich hatte ihr gerade versprochen, ihr immer die Wahrheit zu sagen.
    »Bitte, sag so was nicht«, hörte ich sie, »bitte…«
    »Aber wenn es doch stimmt…«, unterbrach ich sie, weil ich dachte, sie glaube mir nicht.
    Sie schluchzte nur noch heftiger. »Es tut mir leid«, flüsterte sie zwischen den Schluchzern. »Es tut mir so leid…«
    Plötzlich war meine Kehle wie ausgetrocknet.
    »Was tut dir leid?« fragte ich. Ich mußte verstehen, was sie bekümmerte. »Hat es mit meinen Freunden zu tun? Was sie sagen werden? Das ist mir alles egal - wirklich.«
    Ich versuchte, mich an irgend etwas zu klammern, ich war verwirrt und, ja ich hatte Angst.
    Es dauerte eine ganze Weile, bevor sie aufhörte zu weinen, und dann sah sie zu mir auf. Sie küßte mich zärtlich, es war fast wie der Hauch eines vorbeiziehenden Atems, und fuhr mit dem Finger sanft über meine Wange.
    »Du darfst nicht in mich verliebt sein, Landon«, sagte sie und sah mich mit rot geschwollenen Augen an. »Wir können Freunde sein, wir können uns treffen…, aber du darfst nicht verliebt in mich sein.«
    »Warum denn nicht?« sagte ich heftig. Ich verstand gar nichts mehr.
    »Weil ich sehr krank bin, Landon«, erwiderte sie leise. Die Vorstellung war mir so fremd, daß ich nicht begriff , was sie damit sagen wollte.
    »Na und? Das geht doch in ein paar Tagen vorbei…«
    Ein trauriges Lächeln zog über ihr Gesicht, da verstand ich, was sie mir sagen wollte. Sie sah mir fest in die Augen, als sie die Worte sprach, die meine Seele betäubten.
    »Ich muß sterben, Landon.«

Kapitel 12
    Sie hatte Leukämie. Sie wußte es seit dem Sommer.
    In dem Moment, als sie es mir sagte, wich alles Blut aus meinem Gesicht, und eine Folge von verwirrenden Bildern schoß mir durch den Kopf. Es war, als wäre die Zeit in diesem kurzen Augenblick zum Stillstand gekommen und ich hätte alles verstanden, was in den vergangenen Monaten zwischen uns passiert war. Ich verstand, warum sie mich in dem Theaterstück haben wollte. Ich verstand, warum Hegbert nach der ersten Aufführung mit Tränen in den Augen geflüstert hatte: »Mein Engel.«
    Ich verstand, warum er die ganze Zeit so müde aussah und sich Sorgen machte, wenn ich zu ihnen ins Haus kam. Alles war plötzlich sonnenklar.
    Warum das Weihnachtsfest für die Waisenkinder ein ganz besonderes Fest sein sollte…
    Warum sie glaubte, sie würde nicht zum College gehen…
    Warum sie mir ihre Bibel geschenkt hatte…
    Alles paßte vollkommen zusammen, und gleichzeitig ergab nichts einen Sinn.
    Jamie Sullivan hatte Leukämie…
    Jamie, die liebe Jamie, mußte sterben…
    Meine Jamie…
    »Nein, nein…«, flüsterte ich, »das muß ein Irrtum sein…«
    Aber es war kein Irrtum, und als sie es noch einmal sagte, war alles wie ausgelöscht. Mir wurde schwindlig, so daß ich mich an ihr festhalten mußte, um nicht zu fallen. Ich sah einen Mann und eine Frau, die auf uns zukamen; sie hatten die Köpfe gesenkt und hielten ihre Hüte fest, damit die im Wind nicht wegflogen. Ein Hund trottete über die Straße und beschnüffelte die Büsche am Rand. Ein Nachbar von der anderen Straßenseite stand auf einer Leiter und nahm die Weihnachtsbeleuchtung ab. Normale Bilder aus dem alltäglichen Leben, Dinge, die ich zuvor gar nicht bemerkt hätte, und jetzt machten sie mich zornig. Ich schloß die Augen und wollte, daß alles vorüberging.
    »Es tut mir so leid, Landon…«, sagte sie immer wieder. Wo doch ich das sagen sollte. Das weiß ich jetzt, aber ich war zu benommen, um überhaupt etwas über die Lippen zu bringen.
    In meinem Innersten wußte ich, daß es nicht vorübergehen würde. Ich hielt sie im Arm, ich wußte nicht, was ich sonst tun sollte. Tränen traten mir in die Augen. Ich war nicht der Fels, der ich sein wollte und den sie, glaube ich, gebraucht hätte.
    Zusammen weinten wir lange, mitten auf der Straße, kurz vor ihrem Haus. Und wir weinten wieder, als Hegbert uns die Tür

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