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Zeit im Wind

Zeit im Wind

Titel: Zeit im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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ehrlich gesagt ziemlich plausibel klang. Hegbert muß zu der Erkenntnis gekommen sein, daß seine Tochter erwachsen wurde und er sie langsam verlieren würde. Insgeheim hoffte ich, daß das stimmte.
    Ich holte Jamie pünktlich ab. Obwohl ich sie nicht darum gebeten hatte, ihr Haar offen zu tragen, tat sie es für mich. Schweigend fuhren wir über die Brücke zum Wasser und zum Restaurant. Als wir das Lokal betraten, kam der Besitzer selbst und führte uns an unseren Tisch. Es war einer der besseren Tische in dem Restaurant.
    Als wir kamen, waren die meisten Tische schon besetzt. Es herrschte eine fröhliche Stimmung, und da es Silvester war, trugen die meisten Gäste feine Abendkleidung. Wir waren die einzigen Teenager im Restaurant, aber ich fand nicht, daß wir unpassend wirkten.
    Jamie war noch nie bei Flauvin's gewesen, so daß sie ein paar Minuten brauchte, um sich umzusehen. Sie schien ein bißchen nervös, aber glücklich, und ich wußte, daß der Vorschlag meiner Mutter richtig gewesen war.
    »Es ist wunderbar hier«, sagte sie. »Danke, daß du mich eingeladen hast.«
    »Das Vergnügen ist ganz meinerseits«, antwortete ich aufrichtig.
    »Warst du schon mal hier?«
    »Schon öfter. Meine Eltern gehen hier gern essen, wenn mein Vater mal eine Weile zu Hause ist.«
    Sie sah aus dem Fenster, wo ein Schiff hell erleuchtet vorbeifuhr. Einen Moment lang schien sie wie versunken vor Staunen. »Es ist so schön hier«, sagte sie.
    »Du bist auch schön«, gab ich zurück.
    Jamie errötete. »Das meinst du nicht ehrlich.«
    »O doch«, sagte ich, »das meine ich ehrlich.«
    Wir hielten uns an den Händen, während wir auf das Essen warteten, und sprachen über die Dinge, die in den letzten Monaten passiert waren. Sie lachte, als ich ihr von dem Schulball erzählte und den wahren Grund gestand, warum ich sie eingeladen hatte. Sie nahm es gutmütig hin. Wahrscheinlich hatte sie mich ohnehin schon durchschaut gehabt.
    »Würdest du mich beim nächsten Mal wieder einladen?«
    neckte sie mich.
    »Unbedingt.«
    Das Essen - wir hatten beide Seebarsch und Salat bestellt - war köstlich. Als der Kellner danach die Teller abräumte, fing gerade die Musik an. Wir hatten noch Zeit, bevor ich sie nach Hause bringen mußte, also forderte ich sie auf.
    Am Anfang waren wir die einzigen, und alle sahen uns zu, während wir über das Parkett glitten. Ich glaube, die Älteren wußten, daß wir verliebt waren, und fühlten sich an die Zeit erinnert, als sie selbst jung waren. Hier und da sah ich ein Lächeln. Das Licht im Raum war gedämpft , und als der Sänger eine romantische Melodie anstimmte, zog ich Jamie näher an mich heran und schloß die Augen. Hatte es je einen vollkommeneren Moment in meinem Leben gegeben?
    Ich war verliebt, ein Gefühl, das noch wunderbarer war, als ich es mir je vorgestellt hatte.
    Nach Neujahr verbrachten wir die nächsten anderthalb Wochen zusammen und taten das, was junge Paare damals so taten, obwohl Jamie von Zeit zu Zeit müde und schlapp schien. Wir gingen zum Neuse River und vergnügten uns damit, Steine ins Wasser zu werfen und die Wellen zu beobachten, während wir uns unterhielten, oder wir gingen zum Strand in der Nähe von Fort Macon. Obwohl es Winter war und der Fluß die Farbe von Eisen hatte, machte es uns beiden Spaß. Nach einer Stunde bat Jamie mich meist, sie nach Hause zu bringen. Auf der Rückfahrt hielten wir im Auto Händchen. Manchmal war es, als würde sie einnicken, bevor wir zurück waren, dann wieder redete sie unentwegt, so daß ich nicht zu Wort kam.
    Natürlich taten wir auch die Dinge, die ihr wichtig waren. Zwar begleitete ich sie nicht in ihren Bibelkurs - ich wollte mich vor ihr nicht blamieren -, aber wir fuhren zweimal ins Waisenhaus, und jedesmal fühlte ich mich dort mehr dazugehörig. Einmal mußten wir allerdings früher als geplant aufbrechen, weil Jamie erhöhte Temperatur hatte. Selbst mein ungeübtes Auge erkannte, daß ihr Kopf glühte.
    Wir küßten uns auch, aber nicht jedesmal, wenn wir zusammen waren, und ich dachte überhaupt nicht daran, den zweiten Schritt zu wagen. Es war nicht nötig. Wenn wir uns küßten, war das schön, es fühlte sich zärtlich und richtig an, und das war genug. Je öfter ich sie küßte, desto klarer wurde mir, daß Jamie ihr Leben lang mißverstanden worden war, nicht nur von mir, sondern von allen anderen auch.
    Jamie war nicht nur die Pfarrerstochter, die die Bibel las und anderen Menschen nach Kräften half. Jamie war

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