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Zeit im Wind

Zeit im Wind

Titel: Zeit im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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führte ein Leben, wie es die Bibel vorschrieb.
    Jamie war nicht nur der Engel, der Tom Thornton rettete, sie war auch der Engel, der uns alle rettete.
    Die Kirche war zum Bersten voll, so wie Jamie es sich gewünscht hatte. Zweihundert Menschen saßen in den Bänken, und mehr als zweihundert standen draußen, als wir am 12. März 1959 getraut wurden. Wegen der knappen Vorbereitungszeit gab es kein Fest. Die Menschen unterbrachen einfach ihr Tagewerk und feierten mit uns, indem sie der Trauung beiwohnten. Ich sah alle, die ich kannte -Miss Garber, Eric, Margaret, Eddie, Sally, Carey, Angela, sogar Lew und seine Großmutter -, und kein Auge blieb trocken, als die Orgel zu spielen begann. Obwohl Jamie sehr geschwächt war und seit zwei Wochen das Bett nicht verlassen hatte, bestand sie darauf, den Mittelgang entlangzuschreiten, damit ihr Vater sie dem Bräutigam übergeben konnte. »Das ist sehr wichtig für mich, Landon«, sagte sie. »Es kommt auch in meinem Traum vor, weißt du noch?«
    Ich dachte zwar, sie würde es nicht schaffen, aber ich nickte einfach nur. Ihr Gottvertrauen erstaunte mich.
    Ich wußte, daß sie das Kleid tragen wollte, in dem sie die Rolle des Engels gespielt hatte. Es war das einzige weiße Kleid, das ihr einigermaßen paßte, obwohl mir klar war, daß es nicht so gut sitzen würde wie in dem Stück. Als ich neben meinem Vater vor dem Altar stand und mir vorzustellen versuchte, wie Jamie in dem Kleid wohl aussehen mochte, legte mein Vater mir die Hand auf die Schulter.
    »Ich bin stolz auf dich, mein Sohn.« Ich nickte. »Und ich auf dich, Dad.«
    Es war das erste Mal, daß ich diese Worte zu ihm gesagt hatte.
    Meine Mom saß in der ersten Reihe und tupfte sich die Augen trocken, als der Hochzeitsmarsch begann. Die Tür wurde geöffnet, und ich sah Jamie im Rollstuhl, neben sich eine Krankenschwester. Mit aller Kraft, die sie noch in sich hatte, stand sie auf und hielt sich mühsam auf den Beinen, während ihr Vater sie stützte. Dann kamen Jamie und Hegbert langsam den Mittelgang entlang, während es in der Kirche ganz still wurde vor Staunen. Als Jamie auf halbem Wege plötzlich die Kraft auszugehen schien, blieben die beiden stehen, damit Jamie Luft schöpfen konnte. Einen Augenblick lang schloß sie die Augen. Ich glaubte schon, sie würde aufgeben. Ich weiß, daß kaum zehn oder zwölf Sekunden verstrichen waren, aber es schien viel länger, und schließlich nickte sie leicht. Darauf setzten Hegbert und Jamie ihren Weg fort. Mein Herz schwoll an vor Stolz.
    Mein Gedanke damals war, daß dies der schwierigste Gang war, den je ein Mensch bewältigt hatte. Ein unvergeßlicher Gang, zweifellos.
    Die Krankenschwester schob den Rollstuhl nach vorn, und als Jamie und ihr Vater beim Altar ankamen, waren freudige Juchzer zu hören, dann fing die Gemeinde spontan an zu klatschen. Ich lächelte ihr zu und ließ mich auf die Knie nieder, damit ich mit ihr auf einer Höhe wäre. Auch mein Vater kniete sich hin.
    Hegbert küßte Jamie und nahm seine Bibel, um mit der Zeremonie beginnen zu können. Er schien seine Rolle als Jamies Vater aufgegeben zu haben und war jetzt ganz der Pfarrer, was es ihm ermöglichte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Dennoch konnte ich seine inneren Kämpfe erahnen. Er setzte seine Brille auf und öffnete die Bibel, dann sah er Jamie und mich an. Weil er stand und wir knieten, überragte er uns turmhoch, womit er augenscheinlich nicht gerechnet hatte. So stand er sichtlich verwirrt vor uns und beschloß dann, zu unserer Überraschung, auch zu knien. Jamie lächelte, griff nach seiner freien Hand und nahm dann meine, so daß wir alle verbunden waren.
    Hegbert begann mit der Zeremonie nach herkömmlicher Art und las den Abschnitt, den Jamie mir in der Bibel gezeigt hatte. Da Jamie so schwach war, dachte ich, er würde sofort zum Ehegelübde übergehen, aber Hegbert überraschte mich ein weiteres Mal. Er sah Jamie und mich an, ließ den Blick dann über die Gemeinde schweifen, sah darauf wieder zu uns, als suchte er nach den richtigen Worten.
    Er räusperte sich, dann sprach er mit klarer Stimme, so daß jeder ihn hören konnte. Das waren seine Worte:
    »Als Vater sollte ich meine Tochter dem Mann zur Frau geben, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann.«
    Die Gemeinde saß ganz still. Hegbert nickte mir zum Zeichen, daß ich mich gedulden möge. Jamie drückte mir die Hand.
    »Ich kann Jamie genausowenig fortgeben wie mein Herz. Aber ich kann einem anderen Mann

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