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Zeit im Wind

Zeit im Wind

Titel: Zeit im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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wußte, daß Hegbert dort in seinem Büro sein würde. Ich hatte Jamie noch nicht gefragt, weil ich annahm, daß sie Hegberts Erlaubnis brauchte, und aus irgendeinem Grunde wollte ich derjenige sein, der ihn fragte. Vermutlich lag das daran, daß Hegbert mich nicht gerade mit offenen Armen empfing, wenn ich vorbeikam. Immer, wenn er mich den Weg entlangkommen sah - er hatte wie Jamie einen siebten Sinn dafür, wann das war -, lugte er durch den Spalt am Vorhang und zog dann schnell den Kopf zurück, weil er dachte, ich hätte ihn nicht gesehen. Wenn ich klopfte, verging eine ganze Weile, bevor er die Tür aufmachte, als wäre er aus der Küche gekommen. Dann sah er mich lange an, seufzte tief und schüttelte den Kopf, bevor er endlich hallo sagte.
    Die Tür zu seinem Büro stand einen Spalt offen, so daß ich ihn, die Brille auf der Nase, an seinem Tisch sitzen sehen konnte. Die Papiere vor ihm auf dem Tisch sahen aus, als hätten sie mit Zahlen zu tun - vielleicht stellte er das Budget für das kommende Jahr auf. Auch Pfarrer mußten Rechnungen bezahlen.
    Ich klopfte. Er sah interessiert auf, als hätte er ein anderes Mitglied aus der Gemeinde erwartet, und runzelte die Stirn, als er mich erkannte.
    »Hallo, Pfarrer Sullivan«, sagte ich höflich, »haben Sie einen Moment Zeit?«
    Er nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Er sah noch erschöpfter aus als sonst, so daß ich annahm, daß es ihm nicht besonders gut ging.
    »Hallo, Landon«, begrüßte er mich müde.
    Ich hatte mich für den Besuch ganz förmlich gekleidet, mit Krawatte und Jackett. »Darf ich hereinkommen?«
    Er nickte leicht, ich trat ein, und er zeigte auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.
    »Was kann ich für dich tun?« fragte er.
    Ich setzte mich nervös auf meinem Stuhl zurecht. »Also, Sir, ich wollte etwas mit Ihnen besprechen.«
    Er sah mich lange prüfend an, bevor er fragte: »Hat es mit Jamie zu tun?« fragte er.
    Ich holte tief Luft.
    »Ja, Sir. Ich wollte fragen, ob ich sie am Silvesterabend zum Essen ausführen dürfte.«
    Er seufzte. »Ist das alles?« wollte er wissen.
    »Ja, Sir«, antwortete ich. »Und ich bringe sie nach Hause - Sie brauchen nur die Zeit zu sagen.«
    Er nahm die Brille ab und putzte sie mit dem Taschentuch, dann setzte er sie wieder auf. Ich sah, daß er über mein Ansinnen nachdachte.
    »Werden deine Eltern auch dabeisein?« fragte er.
    »Nein, Sir.«
    »Dann glaube ich nicht, daß es geht. Aber danke, daß du erst zu mir gekommen bist.«
    Er sah wieder auf seine Papiere, was ein deutliches Zeichen dafür war, daß ich gehen sollte. Ich stand auf und ging zur Tür. Als ich gerade das Büro verlassen wollte, drehte ich mich noch einmal zu ihm um.
    »Pfarrer Sullivan?«
    Er sah auf, überrascht, daß ich noch da war.
    »Es tut mir leid, daß ich mich so schlecht benommen habe, als ich noch jünger war, und es tut mir auch leid, daß ich mich Jamie gegenüber nicht immer so verhalten habe, wie sie es verdient hätte. Aber von jetzt ab wird das anders sein. Das verspreche ich Ihnen.«
    Er schien durch mich hindurchzusehen. Es reichte nicht.
    »Ich liebe sie«, sagte ich schließlich, und in dem Moment richtete sich seine Konzentration wieder auf mich.
    »Das weiß ich«, erwiderte er traurig, »aber ich möchte nicht, daß sie leidet.«
    Wahrscheinlich bildete ich es mir ein, aber es sah so aus, als würden seine Augen feucht.
    »Ich würde ihr nicht weh tun«, sagte ich.
    Er wandte sich ab und sah aus dem Fenster, wo die Wintersonne durch die Wolken zu dringen versuchte. Es war ein grauer Tag, kalt und bitter.
    »Bring sie um zehn nach Hause«, sagte er schließlich in einem Ton, als wüßte er, daß er die falsche Entscheidung getroffen hatte.
    Ich lächelte und wollte mich bedanken, ließ es aber. Ich sah, daß er allein sein wollte. Als ich über die Schulter zurückblickte, sah ich überrascht, daß er das Gesicht in die Hände gestützt hatte.
    Ungefähr eine Stunde später war ich bei Jamie und fragte sie. Zuerst sagte sie, sie könne wahrscheinlich nicht gehen, aber als ich ihr sagte, daß ich schon mit ihrem Vater gesprochen hätte, schien sie überrascht.
    Danach hatte sie, glaube ich, ein anderes Bild von mir. Ich erzählte ihr allerdings nicht, daß es, als ich sein Büro verließ, so ausgesehen hatte, als weinte Hegbert. Nicht nur war ich mir nicht ganz sicher, ich wollte auch nicht, daß sie sich Sorgen machte. Als ich abends noch einmal mit meiner Mom sprach, gab sie eine mögliche Erklärung, die

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