Zeit-Odyssee
arbeiten, hier bewegen konnte, war diese Störung nicht weiter verwunderlich. Ich hatte sogar auf einen Besucher gewartet; die Situation verlangte es beinahe.
Er kam zur Tür herein, ein hochgewachsener, vollkommen kahler Mann mit feinen Zügen in einem eleganten, scharlachroten Anzug mit purpurnen Stickereien. Er musterte den Raum mit einem jener blitzschnell hin und her huschenden Blicke, durch die das Bild innerhalb einer Mikrosekunde dem Gehirn eingeprägt wird, und nickte mir zu, als wäre ich ein flüchtiger Bekannter, dem er im Klub begegnete.
»Sie sind sehr tüchtig«, lobte er mich. Er sprach ohne spürbaren Akzent, aber mit einem sonderbar fremdartigen Rhythmus, als spräche er normalerweise wesentlich schneller.
»So tüchtig auch wieder nicht«, entgegnete ich. »Leider mußte ich viel Zeit verschwenden. Ein paarmal war ich mir nicht ganz klar darüber, wer denn nun wen hereinlegt.«
»Ihre Bescheidenheit ist anerkennenswert«, sagte er, als akzeptiere er eine Routine, die wir hinter uns bringen mußten. »Wir finden, daß Sie die ganze Angelegenheit – und zwar eine überaus komplizierte Angelegenheit – auf eine beispielhafte Art und Weise gehandhabt haben.«
»Danke«, entgegnete ich. »Wer ist ›wir‹?«
»Bis hierher, an diesen Punkt, haben Ihre Unternehmungen unseren Beifall«, fuhr er fort, ohne meine Frage zu beantworten. »Wenn Sie jedoch noch einen Schritt weitergehen, besteht die Gefahr, daß Sie einen Wahrscheinlichkeitsstrudel achten Grades kreieren. Was das bedeutet, werden Sie begreifen.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, wich ich aus. »Wer sind Sie? Wie sind Sie hier hereingekommen? Diese Enklave ist doppelt gesichert.«
»Ich finde, wir sollten von Anfang an ehrlich miteinander sein«, sagte der Mann in Rot. »Ich weiß, wer Sie sind, ich kenne Ihren Auftrag. Daß ich hier bin, sollte Ihnen als Beweis dafür genügen. Und das wiederum sollte Sie überzeugen, daß ich eine noch spätere Ära repräsentiere als Sie, und daß unsere Entscheidungen Ihre Instruktionen annullieren.«
»Ach so«, knurrte ich, »jetzt tritt also die Siebte Ära auf, um alles endgültig zu regulieren.«
»Sie darauf hinzuweisen, daß wir Ihnen gegenüber im Vorteil sind – nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch bezüglich unserer Anschauung des Kontinuums – ist wohl nicht nötig.«
»Stimmt. Aber was macht Sie so sicher, daß sich nicht eine andere Gruppe von Ordnungshütern an Ihre Fersen heftet, um Ihre Arbeit zu korrigieren?«
»Nach uns kommt keine weitere Zeitsäuberung mehr«, erklärte der Kahlköpfige. »Wir sind die Finale Intervention. Die Siebte Ära wird der Temporalstruktur nicht nur wieder Stabilität verleihen, sondern sie durch Einschmelzung eines ganzen Spektrums redundanter entropischer Vektoren verstärken.«
Ich nickte resigniert. »Sie wollen also die Natur verbessern, indem Sie alle Fäden unrealisierter Geschichte wieder dem Hauptstamm einpflanzen. Ja, sehen Sie denn nicht ein, daß das genau die Art gutgemeinter Manipulation ist, die von den primitiven Zeitsäuberern rückgängig gemacht werden sollte?«
»Ich lebe in einer Ära, die schon beginnt, die Früchte der temporalen Verstärkung zu ernten«, sagte er fest. »Wir haben ein Stadium erreicht, das frühere Epochen nur in Augenblicken der Verzückung erahnen konnten. Wir …«
»Sie machen sich doch selbst etwas vor! Jede neue Methode der Manipulation bringt doch nur einen ganz neuen Problemkomplex.«
»Unsere Kalkulationen führen zu anderen Ergebnissen. Und nun …«
»Haben Sie schon jemals daran gedacht, daß hier ein natürlicher Evolutionsprozeß abläuft – und daß Sie ihn unterbrechen? Daß sich der Verstand des Menschen auf einen Punkt zu entwickelt, der ihm ganz neue Konzeptionsmöglichkeiten erschließt, und daß er, wenn dieser Fall eintritt, eine Matrix äußerer Wahrscheinlichkeitsformationen zu seiner Unterstützung braucht? Daß Sie vom Samen einer fernen Zukunft leben?«
Zum erstenmal zeigte er Unsicherheit, aber nur sekundenlang.
»Falsch«, sagte er. »Die Tatsache, daß keine spätere Ära eingegriffen hat, ist der beste Beweis dafür, daß unsere Säuberungsaktion die letzte ist.«
»Angenommen aber, es hat doch eine spätere Ära eingegriffen: Was meinen Sie, welche Form dieses Eingreifen wohl annehmen würde?«
Er maß mich mit einem herablassenden Blick. »Bestimmt nicht die Form eines Agenten der Sechsten Ära, der eifrig die Akten der Dritten und Vierten Ära
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