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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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…«
    »Das tun wir lieber nicht«, knurrte der andere. »Es war Poseidons Ruf, den wir hörten. Er hat seinen Abschaum hinabgerufen zum Jüngsten Gericht, und ich denk’ nicht daran –«
    »He da!« rief der erste Bewacher und watete zu dem Schreiber. Als er sich bückte, um Joshuas Haar zu packen, sprang Jasmine auf, tat zwei lange mühsame Schritte und hieb dem anderen Soldaten ihre Kette um den Hals. Im selben Augenblick riss Josh den ersten Bewacher unter Wasser und hieb seinen Kopf an seinen Stein, so dass er das Bewusstsein verlor. Jasmine riss mit Wucht an ihrer Kette; der zweite Soldat krachte an die Wand und erschlaffte.
    Schnell durchsuchte Jasmine die beiden, bis sie die Schlüssel zu den Eisenketten fand. Sie ging sofort zu Isis, um sie zu befreien, da nur noch ihre Nase aus dem Wasser ragte. Die arme Katze kroch erschöpft zum höchsten Punkt, den sie finden konnte, und blieb zitternd sitzen, um sich zu erbrechen.
    Jasmine schloss rasch alle Schlösser auf und befreite die Jäger. Sie sammelten ihre Messer, Bogen und Degen ein und wateten eiligst durch den Höhlentunnel zur Mündung der Katakombe. Hier blieben sie kurz stehen, um die frische Seeluft einzuatmen, den Geruch von Freiheit und Hoffnung, und um für Sekunden ihre Brüderlichkeit zu empfinden, bevor die nächste Gelegenheit sie auseinander reißen mochte. Dann ging die Jagd weiter.
    Vorsichtig schlich die kleine Schar hinaus an die Sonne. Das Meer breitete sich nach Westen aus, riesenhaft und versonnen. Im Osten führten brüchige Stufen zur Insel hinauf.
    »Ich kenne mich mit diesen Inseln ein wenig aus«, sagte Jasmine. »Das war vor dem Großen Beben ein Teil des Festlands, lange vor dem Eis. L.A., Malibu, Santa Monica, Venice. Alles durchzogen von Kanälen und Deltas und wieder aufgebaut, versteht sich, aber im Grunde ist die Stadt unverändert, meine ich. Wenn wir uns orientieren können, bringe ich es vielleicht fertig, uns –«
    »Augenblick«, sagte Joshua und kniff die Augen zusammen, während er an früher dachte. »Ich kenne das auch – wenn es derselbe Ort ist, von dem ich in den Büchern daheim gelesen habe … Ja, schaut, er ist es, die Straße hier kenne ich.« Er lief geduckt die Steinstufen hinauf zum Rand einer zerfallenen Ziegelstraße, die in die Stadt hinunterführte. An der Stelle, wo die Straße völlig zerfiel – in Schutt und Stufen, die zu den Katakomben hinabführten – stand ein Schild. Ein Straßenschild. Joshua las die schwarzen Zeichen auf dem dünnen, weißlackierten Metall: SUNSET BOULEVARD.
    Jasmine lief die Stufen hinauf zu ihm.
    »Südlich von hier müsste es einen großen Pier geben«, flüsterte sie. »Wir finden da vermutlich ein Schiff, das wir uns nehmen können.«
    Josh nickte.
    »Oder wir könnten parallel zu dieser Straße genau nach Osten gehen. Es muss auch auf der anderen Seite der Insel Landungsstege geben, die in Richtung Heimat weisen.«
    Die Gegend war verlassen. Jasmine winkte den anderen, heraufzukommen. Bald waren sie alle am Ende der Straße versammelt. Nach kurzer Diskussion beschlossen sie, nach Süden zu gehen, dorthin, wo Jasmine den ›Santa Monica Pier‹ vermutete, wie sie das nannte. Sie würden um die Inseln herumsegeln müssen, um wieder nach Hause zu kommen, aber dann brauchten sie nicht durch die überfüllte Stadt zu schleichen. Sie machten sich auf den Weg.
    Ihr Plan platzte fast auf der Stelle. Hinter der nächsten Erhebung sahen sie, keine zweihundert Meter entfernt, viele Fischer am Strand sitzen und Netze flicken. Sie versperrten den Zugang. Josh und seine Gefährten waren also gezwungen, sich nach Osten zu wenden – dem Inneren der Insel entgegen.
    Die Straßen der Stadt waren hier ein Labyrinth – gewunden, geschlängelt, eng –, so dass die Flüchtlinge nicht zum westlichen Pier zurücklaufen konnten, sosehr sie sich auch Mühe gaben. Sie gerieten immer tiefer in die Stadt hinein.
    Die Religiosität der Stadt war bei jedem Schritt deutlich zu erkennen. Dreizackmuster waren in die meisten Türen eingebrannt. Ikonen des mächtigen Seebarsches – des heiligen Fisches – schmückten jede Fensterbank und drängten sich auf den winzigen Altären, die an keiner Straßenecke fehlten. Der Gott von Venice war überall, in allem, und die flüchtenden Jäger gewannen das unheimliche Gefühl, dass selbst die Steine der Stadt sie beobachteten.
    Auch Bürger wurden auf sie aufmerksam. Zentauren waren auf diesen Inseln ein ungewohnter Anblick. Die Nachricht von den

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