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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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tragen.
    Einige Zeit später – wie lange, wusste Josh nicht zu sagen – sahen sie Land. Lon sank langsam hinab. Zehn Minuten später landeten sie auf einer hohen Klippe über schwarzem Sandstrand. Die anderen kamen innerhalb von Minuten mit Beauty und Wass herunter.
    Die Vampire sprachen kurz miteinander – lautlose Mundbewegungen, dazwischen gelegentlich ein schriller Ton – und flogen auf die untergehende Sonne zu. Lon blieb mit Josh und seinen Freunden zurück. Beauty war nun wach, wenn auch noch unsicher auf den Beinen. Die anderen standen Lon gegenüber.
    »Das war eine tolle Rettungsaktion, Lone Ranger«, sagte Jasmine. »Wie hast du das gemacht?«
    »Das sanfte Wesen zeigte mir, wo ich mich umsehen musste«, erwiderte Lon und wies auf eine Ulmengruppe hinter ihnen. Zwischen den Bäumen flog Summina heraus, der lang verlorene Flatterling. Als sie Joshua in der Lichtung sah, umflatterte sie wild seinen Kopf und summte wie stromgeladener Draht. Josh stöhnte vor Freude auf. Isis duckte sich reserviert und argwöhnisch. Summina ließ sich breit lächelnd auf Joshuas Schulter nieder.
    »Unsere Suche nach euch ist eine lange Geschichte«, fuhr Lon fort. »Aber bevor wir uns etwas erzählen – schaut nach Norden.«
    Sie taten es. Einige Meilen entfernt, auf etwas niedrigeren Klippen über dem Meer stand eine riesige schwarze Festung, umgeben von Mauern und einer Stadt.
    »Seht die Stadt ohne Namen.«
    Zu sehen war auch ein Fluss, der rot im Sonnenuntergang glänzte. Er strömte vorbei an der Burg und mündete ins Meer.
    »Die Burg am Sticks«, fuhr Lon fort. »Dort wohnt das neue Tier. Dort werden eure Leute sein.«
    Joshua starrte das gotische Bauwerk mit klaren Augen an. Das Ende seiner Suche. Dort wurden Dicey, Rose und Ollie festgehalten. Wie ein Brennglas vereinigte die Burg alle Ereignisse der jüngeren Vergangenheit in sich – das Ringen, die Fluchten, die Ketten, Verluste, Lektionen und Hoffnungen – und führte all dies zusammen zu einem kristallenen Punkt, der beinahe greifbar war.
    Ohne es eigentlich zu wollen, begann Joshua zu weinen.

 
Kapitel 14
     
    Die Stadt ohne Namen
     
    S ie saßen an einem kleinen Lagerfeuer in der klaren, schwarzen Nacht, durch eine Folge buschbewachsener Anhöhen von der Stadt abgeschirmt. Im Osten und Süden erstreckte sich die unerforschte Weite der Ansa Bianca – der riesigen, leeren Wüste, die noch kein Tier durchquert hatte. Im Norden ragte die lauernde Festung, im Westen das zeitlose Meer. Aber hier und jetzt kam es zu einer Pause. Die Freunde erzählten sich Geschichten und vertrauten dem Lagerfeuer Geheimnisse an.
    »Der Flatterling kam ein, zwei Wochen nach eurem Abschied zu mir«, begann Lon. »Summina war sehr erregt. Sie brachte den Anhänger, den ich Ihnen gegeben hatte«, sagte er zu Josh.
    Joshua blickte auf seinen Gürtel. Das kleine goldene Gebilde war verschwunden.
    »Wann kann ich es verloren haben?« fragte er.
    »Das fragte ich mich auch«, gab Lon zurück. »Ich folgte Summina, die vor Erregung außer sich war und mir keine Ruhe ließ.
    Das Wiedersehen mit dem Terrarium weckte viele alte Erinnerungen, kann ich euch sagen – ich hatte beinahe das Gefühl, nie fortgewesen zu sein. Jedenfalls folgte ich dem Wesen, und wir fanden bald eure Spur, obwohl der Urwald sie schon fast verwischt hatte. Wir erreichten endlich einen kleinen Fluss mit einem Wasserfall. Hier flog Summina wie eine Wahnsinnige herum. Ich sah mir die Gegend genau an. Es gab kaum Spuren, aber sie schienen alle in den Wasserfall zu führen. Ich befahl Summina, dort zu bleiben, bis ich zurückkäme – und tauchte hinter den Wasserfall.
    Ich folgte dem kleinen Fluss durch eine Reihe dunkler Höhlen zu einer Öffnung – wo ich auf die seltsamste Dschungelstadt stieß, die ich je gesehen habe.«
    »Dort waren wir«, sagte Josh aufgeregt. »Das war –«
    »Ich weiß, dass ihr dort gewesen seid. Ich habe euch gesehen«, fuhr Lon fort. »Später, am Nachmittag. Aber zunächst sah ich nichts als die Wunderdinge der Stadt. Wunderschöne Musen lockten mich, sangen für mich. Zuerst mied ich sie, um euch zu suchen – aber ihrer Musik war nicht zu widerstehen. Ich trank an ihren Hälsen, sie tranken von meinen Exzessen. Ein halber Tag verging so, als sie sich plötzlich in Drachenschlangen verwandelten und mich beinahe erdrosselten. Ich entkam mit Mühe.
    Mit erschreckender Klarheit fiel mir mein Auftrag wieder ein. Erneut machte ich mich auf die Suche nach euch. Ich erlebte viele

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