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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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voller Bücher. Diener und Konkubinen überall. Auf einen Wink von Bal verließen sie das Zimmer. Nur Dicey blieb, teilnahmslos, bleich wie eine weiße Rose. Bal und Lon setzten sich.
    »Wir sind in schlechtem Blut auseinander gegangen«, begann Bal. »Ich habe das stets bedauert.«
    »Diese Dinge haben Ebbe und Flut«, erwiderte Lon. »Ihr scheint euch gemacht zu haben.«
    »Es geht«, sagte Bal. »Ich kann nicht klagen. Meine Königin sorgt für mich.«
    »Ah, das neue Tier. Ja? Die Nachricht von diesem neuen Wesen führt mich her. Ich bin neugierig, vielleicht sogar ein wenig interessiert.«
    Bal sah seinen alten Bekannten mit einem Anflug von Argwohn an. Sie hatten sich vor mehr als sechzig Jahren nicht im Streit, aber auch ohne sonderliche Zuneigung getrennt.
    »Meint Ihr es aufrichtig?« fragte Bal.
    »Gewiss«, sagte Lon. »Mein Harem ist durch Krankheit fast völlig zusammengeschrumpft, und soviel ich weiß, kann das neue Tier mir helfen. Ich komme zuerst zu Euch, weil ich … Eurem Urteil vertraue.«
    Lon kannte sein Gegenüber gut. Die beiläufige Schmeichelei gab den Ausschlag.
    »Das ›neue Tier‹, wie Ihr das nennt, ist hier die Königin«, erklärte Bal. »Aber noch viel mehr.«
    »Wie sieht sie aus?« fragte Lon.
    »Das weiß ich nicht. Nur wenige haben sie gesehen – mit Ausnahme einer kleinen Gruppe ENGEL – Erlauchte Neuromensch-Genetik-Erfinder und Lords. Es heißt aber, sie sei grausig anzusehen, in mancher Beziehung wie der Tod. Trotzdem ist ihre Stimme süß wie die eines jungen Mädchens. Sie ist auch eine Liebhaberin der klassischen Musik, soviel ich weiß – ein weiteres gemeinsames Interessengebiet mit Ihnen, wenn ich mich recht entsinne.«
    Lon neigte knapp den Kopf.
    »Es kommt aber nicht darauf an, wie sie aussieht«, fuhr Bal in ernsterem Ton fort, »sondern auf ihre Reden und Taten, die mich hier festhalten. Sie schafft eine neue Weltordnung.«
    »So?«
    »Ja. Die Menschen dienen als Mörtel. Sie beginnt die menschliche Rasse auszurotten, außer in ihrer Eigenschaft, eigens gezüchtete Tiere für Experimente zu liefern – und natürlich eine Zucht für Sire-Harems und Ställe.«
    »Versteht sich.«
    »Euer persönliches Missgeschick lässt sich hier sofort beheben. Schließt Euch uns an, und die Königin wird Euch mit so vielen Menschen versorgen, wie Ihr sie braucht – und mehr, wenn Ihr würdig seid.«
    »Das klingt verlockend. Aber sagt, wie sieht diese neue Welt aus, von der Eure Königin spricht?«
    »Das steht alles in ihrer Verlautbarung hier.« Er wies auf das Buch, das aufgeschlagen auf dem Tisch lag. »›Die Neue Welt.‹ Nehmt mein Exemplar und lest es.«
    »Danke, Bal-Sire, gern.« Lon griff nach dem Werk und blätterte darin. Dicey, die am Boden lag, regte sich. Lon warf einen Blick auf sie.
    »Die werdet Ihr nicht mehr lange haben«, sagte er zu Bal. »Sie hat dieses wächserne Leuchten.«
    Bal lächelte schwach.
    »Ihr mögt recht haben, Lon-Sire. Sie liebt den Zahn zu sehr. Eines Tages wird sie mich zu weit treiben. Immerhin …« er hob hilflos die Hände, »bin ich nur ein Vampir.«
    Jasmine ging mit schnellen Schritten durch den schmalen Steinkorridor. Fensterschlitze gingen auf einer Seite auf einen Innenhof hinaus, in der anderen Wand waren Türen eingelassen. Sie achtete auf die Nummern, bis sie im Keller, nach einer Suche von fünfzehn Minuten in den zumeist leeren Gängen, auf die gesuchte stieß: B 347. Dragos leeres Labor.
    Sie drückte die Klinke hinunter. Abgesperrt. Sie zog ein Stück zurechtgebogenen Kupferdraht aus der Tasche – dafür eigens vorbereitet – und öffnete geschickt das Schloss. Sie glitt hinein.
    Das Labor war klein. Bechergläser, Bunsenbrenner, Glasflaschen und Röhren waren auf den Tischen angeordnet und warteten auf Dragos Rückkehr aus Ma’ Gas’. Das kam Jasmine genau zupass, ein leerer, abgelegener Stützpunkt im feindlichen Lager, wo sie Zuflucht suchen und planen konnte.
    Sie begann alles abzusuchen. Auch hier stand ihr das Glück zur Seite. Sie fand mehrere Dinge, die von Nutzen waren. In einer unteren Schublade tauchte ein einfacher Grundriss des Burggeländes auf. Bezeichnet waren die großen Tierlabors, die Energieanlagen, verschiedene Verwaltungsbüros, Konferenzräume, Cafeterias, Lager, sogar der Thronraum. Auf einem Schreibtisch lag neben dem Telefon ein dünnes Buch mit Rufnummern. Dort waren Ruf- und Zimmernummer aller Burginsassen angegeben. Aus einer Instrumentenschublade beim Waschbecken zog Jasmine einige

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