Zeit und Welt genug
Jedes Mal, wenn ihre Wörter von einem anderen Schreiber gelesen werden, wird sie Freude empfinden.«
»Das ist wunderschön«, sagte Meli. Der Wind vor dem Haus erhob sich ein wenig und rüttelte am Fenster. Die Lampen im Zimmer flackerten kurz auf, als die Windmühle Strom zu erzeugen begann, aber der Wind legte sich wieder, und die Lampen erloschen. Die Kerzen auf dem Tisch spendeten warmes Licht.
Die Schläfrigkeit, die Josh vorher verspürt hatte, kam wieder. Er zwang sich, nicht zu gähnen. Meli setzte sich auf und legte ihre leichte Hand auf seine Brust.
»Tust du etwas für mich?« Ihre Stimme schwankte. »Schreibst du den Namen meines Baumes nieder?«
Josh war bewegt. Er stand auf, ging zum Tisch und setzte sich. Er zog ein Stück Dornenzweig aus seinem Stiefel, hielt es an die Kerzenflamme, bis es zu brennen begann, und warf es in eine kleine Tasse, die er auf dem Fensterbrett fand. Als das Zweigstück verbrannt war, steckte Joshua den Daumen hinein und drückte ihn in die Asche. Seine Haut wurde dabei zerstochen, zwei, drei Tropfen Blut quollen in die Tasse. Schließlich spuckte er in das Gemisch von Blut und Kohlenasche. Meli sah staunend und zweifelnd zu.
Josh riss vom Bettlaken ein kleines Stück ab und legte es auf den Tisch. Er zog den Federkiel aus dem Stiefel, tauchte ihn in das provisorische Tintenfass und schrieb in säuberlicher Blockschrift auf das kleine Stück Stoff: MELIAE. Dann gab er es ihr.
Sie starrte es liebevoll an, drehte es hin und her, hielt es ans Licht, roch daran, berührte es. Sie war so glücklich, dass Josh noch einen Stoff-Fetzen abriss und in Schreibschrift darauf malte: MELI. Er gab ihr den zweiten Fetzen und sagte: »Das ist dein Name.«
Sie hielt es vorsichtig, damit es nicht zerfiel. Der Wind regte die Lampen wieder an und ließ sie langsam erlöschen. Von unten tönte gedämpftes Gelächter herauf. Meli presste die zwei Stoffstücke sanft aneinander, dann sah sie Josh an.
»Ich helfe dir, deinen Baum zu finden«, sagte sie. »Wie sehen die Diebe aus?«
Josh, wieder auf der Jagd, spürte, wie seine Muskeln sich anspannten.
»Einer ist ein Unglücksfall«, sagte er, »und verwundet. Ich weiß, dass er hier irgendwo ist. Er war vorher mit einem Greif und einem Vampir zusammen, aber sie trennten sich. Es kann jedoch sein, dass er sich mit ihnen wieder trifft, hier oder anderswo.«
Sie verzog das Gesicht.
»Ich habe heute Abend keinen Unglücksfall gesehen.«
Josh war auf einmal so schläfrig, dass er kaum mehr die Augen offen halten konnte. Er ging hinüber und setzte sich auf das Bett.
»Aber ein Vampir war zusammen mit einem Greif da. Sie warteten nur«, sagte Meli. »Sie wollten weder tanzen noch etwas anderes …«
Das Schlafbedürfnis wurde überwältigend. Josh schloss die Augen. Er fühlte sich schwindlig. Melis Stimme entfernte sich immer weiter.
»– sagten aber, sie könnten nicht lange warten. Die Chefin schickte sie auf Zimmer …«
Alles löste sich in Dunkelheit auf, ohne Geräusch, ohne Richtung, ohne Substanz. Und am Ende der Schwärze ein greller, unendlich ferner Lichtpunkt. Fern, aber doch greifbar, wie die Erinnerung an einen Duft. Das Licht übte Druck aus, aber es war ein negativer Druck, eine Art heimliches Saugen, das Joshua durch den sich endlos weitenden Äther verfolgte …
Beauty griff in seinen Köcher, zog zwei Silbermünzen aus dem Beutel und gab sie der Pferdehure. Sie nahm das Geld und knotete es in ihren Schwanz.
»Jetzt sag mir, wo der Unglücksfall ist«, sagte Beauty.
Sie legte den Finger an die Lippen und winkte ihn näher heran. Er beugte den Kopf herab und legte das Ohr an ihren Mund. Mit einem unerwartet raschen Hieb ließ sie ein Brett auf seine Schläfe niedersausen. Er hörte den Schlag mehr, als dass er ihn fühlte. Dann spürte er im Sekundenbruchteil nach dem Wamm Überraschung, Zorn, Schwindel und Angst. Er drehte sich um und stolperte zur Box hinaus.
Sie folgte ihm schreiend.
»Dreckiger Kopfgeld-Mörder, mieser, abscheulicher Schmarotzer«, kreischte sie und hieb ihm auf die Lenden.
Er stürzte und raffte sich auf. Aus den Boxen drängten Tiere, um zuzusehen. Beauty spürte, wie an seinem Gesicht warmes, dickes Blut herablief. Er sah den alten Mann aus dem Augenwinkel herankommen und bäumte sich auf, um ihn abzuwehren. Der Alte ging aber an ihm vorbei, packte die tobende Pferdehure am Handgelenk und schlug sie mit einem einzigen Hieb bewusstlos.
Beauty beruhigte sich. Der Alte kam heran.
»Tut
Weitere Kostenlose Bücher