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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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auf und ging zur Bettkante. Es war die schwarze Katze, die er vorher unten gesehen hatte. Die Katze schüttelte langsam den Kopf, hob die Pfote und deutete zum offenen Fenster, wo der Wind die Vorhänge blähte.
    Josh starrte verständnislos auf das kleine Tier. Es winselte. Er ging hin und graulte es oben am Kopf, zwischen den Ohren. Es hob den Kopf seinen Fingern entgegen. Hinter sich hörte er ein Geräusch und fuhr herum, aber in der Tür stand nur Meli.
    »Achte nicht auf sie«, sagte Meli und zeigte auf die Katze. »Das ist nur Isis. Sie ist sonderbar.«
    »So-o-o-o?« schnurrte Isis. Es war halb Wort, halb Miauen.
    »Sonst ist niemand hier«, sagte Josh zu Meli. »Was war unten?«
    »Nur ein Trupp von König Jarls Soldaten, die sich amüsieren wollen.«
    Jarl, der Bären-König, hatte in allen Gebieten südlich von Monterrey Soldaten postiert – eine ›Friedensstreitmacht‹, die nach dem Krieg der Rassen eingerückt und nie mehr abgezogen war.
    »Jarrrrrrl«, sagte Isis und leckte ihre Pfote.
    »Bist du sicher, dass sie in diesem Zimmer gewesen sind?« fragte Josh Meli.
    Meli nickte heftig. Isis sprang auf den Boden, tappte durch das Zimmer und sprang auf die Fensterbank.
    »Sü-ü-ü-d«, miaute sie. Draußen frischte der Wind auf.
    Josh starrte durch das Halbdunkel auf die kleine Katze, dann auf Meli.
    »Wie sahen sie aus?« fragte er.
    Meli überlegte.
    »Der Vampir war hochgewachsen, selbst für seine Art. Er hatte ganz lange schwarze Haare. Seine Augen waren dunkel und furchtbar. Greife kenne ich nicht, sie sehen für mich alle gleich aus, aber dieser war groß und hatte, glaube ich, einen gebrochenen Schnabel.«
    Die letzte Kerze flackerte zischend und erlosch. Es war dunkel. Joshs Pupillen öffneten sich in der Dunkelheit weit.
    »Ich sehe mich um«, sagte er und ging hinaus in den Flur. Meli begleitete ihn.
    Sie blickten durch geheime Fenster, die Meli kannte, in die Zimmer. Sie sahen Dinge, von denen Josh noch nicht einmal etwas gehört hatte – Dinge, die ihn erregten, Dinge, die ihn verstörten. Leidenschaftliche Tiere in zwingenden Umarmungen, schrecklich zerkratzt, stöhnend. Er hätte gern die Zeit gehabt, das alles aufzuschreiben.
    Sie versuchten es an Geheimtüren. Vereinzelte Kerzen erhellten die nächste Umgebung. Formen und Gestalten traten aus Ecken und huschten in dunklen Zimmern an Wänden entlang, während der Wind immer stärker wurde.
    Josh blickte in den langen, dunklen Flur, durch das Fenster in den scharfen Wind. Dunkler Flur, starker Wind, dachte er. Dunkel. Wind.
    Joshua blieb stehen.
    »Mit der Windmühle stimmt etwas nicht«, sagte er.
    Meli sah ihn verständnislos an.
    »Die Windmühle«, wiederholte er. »Sie erzeugte Strom, als der Wind auffrischte. Jetzt ist der Wind stärker, aber nirgends brennt Licht, verstehst du?« Er wandte sich ab. »Mit der Windmühle ist etwas nicht in Ordnung.« Sein Pulsschlag beschleunigte sich bei der Erkenntnis und dem, was sie bedeutete. Die Jagdbeute war bald zur Strecke gebracht. »Ich gehe hinaus«, sagte er. »Du bleibst hier.« Sie sah ihn fragend und verwirrt an. Er umarmte sie kurz. »Ich komme wieder«, sagte er und ging.
     
    Beauty stand regungslos auf der windabgewandten Seite eines Hügels, von der aus man das ganze Panorama überblicken konnte -Haus, Scheune, Häuschen, Gärten. Der Geruch des Wesens hing noch in der Luft, aber da der Wind jetzt so stark blies und so rasch die Richtung wechselte, ließ der Ursprung sich nicht mehr ausmachen. Der Ockermond spendete aber gutes Licht. Beauty würde alles sehen können, was es zu sehen gab.
    Sein Kopf schmerzte nicht mehr, betäubt vom kühlen Wind. Er hatte den Bogen in den Händen, einen Pfeil locker eingelegt.
    Seine scharfen Augen suchten alles methodisch ab. Hauptgebäude, Laternenlicht, meist still, ab und zu Gelächter, das den Wind übertönte. Die Ställe ruhig. Kühe und Schafe im Schlaf. Die Windmühle reglos, still. Die Häuschen dunkel.
    Die Windmühle. Weshalb war die Windmühle reglos und still, wenn der Wind so fauchte?
    Hinter dem großen Haus bewegte sich etwas. Beauty sah, wie die einsame Gestalt ein paar Dutzend Schritte lief, stehen blieb und sich umschaute. Sie stand fast eine Minute wie erstarrt, dann rannte sie los – direkt auf Beauty zu. Der Zentaur hob den Bogen.
    Auf hundert Schritte konnte er deutlich erkennen, dass es Josh war. Er ließ die Waffe sinken und wartete. Einige Sekunden später standen sie einander gegenüber. Josh keuchte ein

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