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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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weiteten sich, ihre Brustwarzen wurden steif, sie spreizte die Schwingen. Mit einem Flügelschlag hatte sie sich auf ihn gestürzt, saß auf ihm, und ihre riesigen Lederschwingen hüllten sie beide ein wie ein glatter brauner Schirm.
    Alle sahen zu – die Menschen voller Entsetzen, die Unglücksfälle in gieriger Erwartung der Überreste, falls das Opfer starb. Uli lief das Wasser im Mund zusammen.
    »Davon könnte ich auch etwas gebrauchen«, murmelte er.
    »Habe ich nicht gesagt, dass die Ware nicht getötet werden darf?« zischte Bal.
    Ena faltete die Flügel zusammen, löste den Mund vom Hals des Mannes und war gesättigt. Er lebte noch, hatte aber das Bewusstsein verloren. Die Unglücksfälle murrten. Aus dem Hals des Mannes quoll Blut in den Schlamm. Ena blieb auf ihm liegen, rieb die nackten Brüste und Hüften an seinem Rücken und Gesäß, leckte an seinem Hals, bewegte zuckend und stöhnend die Flügel und streichelte seine schlammverschmierte Brust.
    »Keinerlei Manieren«, sagte Uli leise und leckte sich die Lippen.
    Bal wünschte keinen Groll in seinen Reihen.
    »Geht, Sire Uli, und nehmt Nahrung zu Euch. Wir sind noch eine Stunde hier. Aber nicht zuviel, wohlgemerkt.«
    Uli tat sich jedoch etwas auf seine Zurückhaltung zugute, vor allem dann, wenn er sie seinen Vorgesetzten zeigen konnte.
    »Vielleicht später«, sagte er gähnend.
    Bal dagegen hatte niemanden, den er beeindrucken konnte, und war erhitzt.
    Er schnippte mit den Fingern.
    Diceys Kopf schoss hoch wie bei einer Marionette. Sie ächzte. Ihre Augen waren trüb, angstvoll, gerötet.
    »Was ist?« fragte Rose erschrocken. »Was hast du?«
    »Er w-will mich«, stammelte sie. Ihre Zähne klapperten aufeinander.
    »Woher weißt du das?« fragte Rose scharf. Das Untier hatte die junge Braut schon dreimal gehabt.
    »Er hat gerufen. Er wartet.« Sie sah Rose voller Qual an. »Hilf mir«, flüsterte sie.
    Rose blickte tief in die Augen ihrer jungen Freundin. Wie vorher, konnte sie nichts sehen. Schwarz wie Schächte, die in die Erde gingen. Sie hielt Dicey fest.
    »Ich lasse dich nicht los. Sie müssen dich wegreißen von mir.«
    Dicey umarmte Rose kurz, dann machte sie sich los. Sie stand auf, ihr Gesicht war von Resignation und Abscheu gezeichnet; Rose konnte nicht sagen, was diese Augen sonst gesehen hatten oder noch sehen würden.
    »Wenigstens kann ich mich unterstellen«, sagte Dicey beinahe mit Gelassenheit.
    »Dicey …« Rose streckte ihre Hand aus.
    Dicey wandte sich ab.
    »Und vielleicht liest er mir wieder etwas vor …«
     
    Isis saß geduckt auf der windabgewandten Seite eines kleinen Hügels. Der Regen strömte über ihren regungslosen Körper, lief in Rinnsalen an ihren Flanken herab, am Kopf, in die Augen. Sie sah völlig zerzaust und armselig aus. Sie beobachtete.
    Durch den Regen hindurch beobachtete sie die fernen Wesen, eine große Gruppe, die im Regen kauerte, eine kleinere, die geschützt war unter Gestein.
    Sie war ihnen die halbe Nacht und fast den ganzen Tag gefolgt, weit genug entfernt, um unsichtbar zu sein, nah genug, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn sie hielten, um zu essen, tat sie es auch. Wenn sie im Regen Rast machten, wurde sie tropfnass und fror.
    Aber sie dachte nicht an das Wasser; ihre Augen blinzelten nicht. Sie starrte hinüber. Das Unwetter würde alle Spuren verwischen, die Witterung beseitigen, wie sie wusste; sie allein würde ihnen auf den Fersen bleiben können, aber nur, wenn sie aufpasste.
    Das tat sie seit dem Menschenschrei. Sie war ins Lager zurückgelaufen und hatte festgestellt, dass der Unglücksfall, der ihr nachgerannt war, sich zurückbegeben und einen der Menschen in Stücke gerissen hatte. Nicht das Menschenmädchen mit dem Blutgeruch und nicht ihre Freundin, eine andere Menschin aus der Gruppe. Danach gab es großen Lärm, Geschrei und Laufen und Gemurre und Aufregung und anderes merkwürdiges Verhalten, wie es bei größeren Tieren häufig vorkam. Dann teilten sie sich in mehrere Gruppen auf und brachen das Lager ab – mitten in der Nacht. Aber wer kannte sich bei Vampiren schon aus? Wer konnte das überhaupt wollen?
    Sie hatten sich aufgeteilt, und Isis war dieser Gruppe nachgegangen, der mit der Menschin, die sie hatte befreien wollen. Drei Vampire, drei Unglücksfälle, ein Greif und viele Menschen. Den ganzen Tag hatte sie die Schar verfolgt. Man würde sie natürlich nie bemerken, dafür war sie zu listig. Die Frage war, wie sie jene, auf die es ankam, herausholen

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