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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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überschwemmte.
    Die Leere. Er schwebte schwerelos in einer Dimension ohne Raum, Zeit, Empfinden. Nichts. Wo hatte er das schon gehört? Deja vu. Also gab es vielleicht Zeit. Rückzeit, wie der Fluss in sich selbst zurückkehrend, alte Unterströmungen, die gegen die Flut ankämpften. Da der Sog, das Licht, das ihn heranholte, ihn hinabsaugte, ihn an einer Schnur aus reiner Energie einholte, pochend, pulsierend, greller, immer greller …
    Er erwachte zitternd am Boden. David und Paula hielten ihn fest. Neben ihm lag bewusstlos Lewis, zuckend, von vier anderen festgehalten. In seiner rasch verklingenden Betäubung verspürte Josh Scham und Angst.
    »Es … es tut mir leid …«
    »Sprich nicht, es geht dir wieder besser«, sagte Paula beruhigend und streichelte seine Stirn.
    »Du bist also einer der Befallenen«, murmelte David.
    »Diese Anfälle …«, versuchte Joshua zu erklären.
    »Wir wissen von ihnen.« David nickte. »Lewis hier hat sie auch.«
    Josh schaute hinüber zu Lewis, der eben wieder zu sich kam.
    »Lewis auch?« stieß er fassungslos hervor. »Andere haben ebenfalls solche Trancen? Aber was bedeuten sie, was ist das?«
    »Niemand weiß es.« Paula schüttelte den Kopf. »Ich habe mehrere Leute gesehen, die davon befallen waren. Sie beschreiben die Zustände alle auf die gleiche Art – Schwärze, ein magnetisches Licht …«
    »Ja, ja, das ist es!« Josh setzte sich ganz auf, begierig darauf, jemandem sein Leiden verständlich zu machen.
    »Niemand weiß es«, wiederholte Paula kopfschüttelnd.
    Lewis kam zu sich. Er und Josh starrten einander einen langen Augenblick an, auf der Suche nach einer Lösung des gemeinsamen Rätsels. Sie entdeckten eine mehrdeutige Übereinstimmung, ein Maß an Gemeinsamkeit, Qual und Verwirrung. Sie tauschten einen Händedruck.
    »Was es auch sein mag«, meinte David, »diejenigen, die befallen sind, scheinen sich im Süden zu versammeln, obschon niemand sagen kann, warum.«
    »Wir versammeln uns alle im Süden«, erklärte die Frau, die am Tisch saß und schrieb. »Hier kämpfen wir um unsere Zukunft.«
    »Schreibkunst ist die einzige Zukunft«, sagte jemand anderer.
    »Das Wort, das geschriebene Wort«, fielen alle ein.
    David legte die Hand auf Joshuas Schulter.
    »Komm zu uns«, sagte er leise.
    Es wurde zweimal rasch an die Tür geklopft. Alle fuhren hoch und stoben auseinander.
    »Was ist?« flüsterte Josh, der hinter David zum Nebenausgang stürzte.
    »Sie haben uns entdeckt. Lauf, so schnell du kannst«, stieß David hervor.
    »Wer?« fragte Joshua, als sie durch einen langen dunklen Gang hetzten.
    »JEGS, ESS, Vampire, wer weiß? Alles dasselbe. Wir haben auf der ganzen Welt nur Feinde. Trau keinem außer deinen Nächsten.«
    Sie kamen unter dem Kai am Wasser heraus, hasteten über einen rutschigen Laufgang und halbzersplitterte Stufen zum Hafenbecken hinauf. Sie waren oben kaum angekommen, als Rufe und Schritte unten auf der Promenade laut wurden. Jemand stieß einen Schrei aus. Joshua duckte sich, um besser sehen zu können, und in diesem Augenblick surrte ein Pfeil vorbei und streifte Davids Kopf.
    Der junge Mann taumelte, fiel hin und stand wieder auf. Aus seiner Wunde rann Blut.
    »Trennen«, flüsterte er und verschwand in einer Gasse.
    Josh lief um eine Schmiede herum, rannte durch zwei Seitenstraßen und kam in der Nähe der Bar heraus, die er vorher betreten hatte. Er ging bewusst langsam, zwang sich, ruhig zu atmen und auf den Pier zuzuschlendern. Kurz danach spürte er jedoch, dass jemand hinter ihm war, und fuhr herum, die Hand am Messer. Es war Beauty.
    »Du scheinst dringend ein Alibi zu brauchen«, sagte der Zentaur. »Darf ich mitkommen?«
    Sie gingen ohne Hast am Hafen entlang. Joshua ließ die Wirkung seiner Adrenalinstöße abklingen, während er Beauty erzählte, was geschehen war. Ab und zu schreckte er auf – bei einem fernen Schrei oder dem Sturzflug eines Meeresvogels –, aber mit der Zeit beruhigte er sich. Beauty berichtete von seiner Warte aus, obschon es da wenig zu erzählen gab. Er hatte einen Hinterausgang gefunden, gewartet, Getümmel gehört, war vorne wieder herausgekommen – und hatte Josh gemächlich dahinschlendern sehen.
    Sie beschlossen, zum ›Casa Bianca‹ zurückzukehren, um Jasmine zu unterrichten und einen Plan zu entwerfen. Noch immer gab es viele unklare Dinge, aber Josh glaubte doch auch das nahe Ende zu erkennen. Sie gingen unbewußt schneller, als sie zu Wass’ Bar zurückkehrten.
    Aus der finsteren Nacht

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