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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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Wanderern im Frieden zu sein.
    Josh stieß einen Stein ins Wasser.
    »Was hältst du von Wass?« fragte er.
    »Sie weiß viel«, meinte Beauty bedächtig. »Aber ich glaube, sie ist schon zu lange kein Mensch mehr. Ihr fehlt jedes Einfühlungsvermögen.«
    Sie kamen vorbei an einem Böttcherladen, an ein paar Tavernen. Plötzlich blieb Josh stehen.
    »Schau«, flüsterte er.
    Beauty blickte auf die Fassade, die Josh anstarrte, aber ihm fiel nichts auf.
    »Was ist?« flüsterte er zurück, weil er Joshuas innere Erregung spürte.
    »Das Zeichen des Schreibers«, sagte der junge Mann. Erst dann bemerkte Beauty das Symbol, das er Josh so oft hatte zeichnen sehen. Es war eingeschnitzt in die Holzpfosten der alten Tür: die Schlange, die sich in den Schwanz beißt.
    »Ich gehe hinein«, fuhr Josh in unterdrückter Erregung fort. »Du gehst in die Bar nebenan. Schau dich um und stell fest, ob es Hinterausgänge oder Verbindungsgänge gibt.«
    Beauty nickte und betrat das Lokal daneben. Josh ging unter dem Zeichen hinein.
    Im Inneren saßen verschiedene Wesen an Tischen, rauchten Opium, tranken Yucca-Whiskey, warfen Knöchelchen. Es schien eine Bar zu sein. Hier und dort flackerten Kerzen. Etwa die Hälfte der Gäste bestand aus Menschen. Josh ging langsam zur Bar an der Rückwand, setzte sich auf den einzigen freien Hocker zwischen einem Ghul und einem Werwolf und trommelte mit den Fingern auf die schnapsverklebte Theke.
    Der Barmann kam mit zwei langen, trägen Schritten heran. Er war ein Mensch, sah aber so erschreckend aus wie nur irgendein Wesen, dem Josh bisher begegnet war. Seine Unterlippe war bei einem lang zurückliegenden Kampf abgebissen worden, seine knorrige linke Hand war mit Maschendraht umwickelt, so dass sie irgendeiner mittelalterlichen Waffe glich.
    »Was soll’s sein?« fragte er Josh ohne Freundlichkeit – nur mit dem grimmigen Flunsch, den das Fehlen der Unterlippe hervorrief.
    »Tequila«, sagte Josh. Der Werwolf links neben ihm sabberte auf die Theke und starrte erbost auf nichts Bestimmtes. Rechts von ihm warf der Ghul – ein hässliches Wesen, das Joshua nicht näher in Augenschein nehmen wollte, das er aber für einen Ghul hielt, weil er andere Tiere veranlasste, den Blick abzuwenden – Seitenblicke von entschieden unerfreulicher Art in Joshuas Richtung.
    Der Barmann kam zurück und stellte ein volles Glas Tequila und Zitronenschnitze vor ihn hin. Josh zog ein Goldstück aus dem Gürtel und bezahlte damit. Der Barmann steckte die Münze ein und ließ die Flasche für Josh stehen, aber nicht, bevor Josh durch das Licht der Kerzen auf der Theke das Gold in den Augen aller Tiere dort glitzern sah. Josh schlürfte sein Getränk, während seine Augen sich den Schatten anpassten.
    An einem der Tische kam es wegen eines Wurfes der Knöchelchen zu einer kurzen Auseinandersetzung, aber sie legte sich rasch wieder. Ein kleiner Hund nagte an einem Tischbein. In der Ecke flüsterten zwei Menschen mit einer aufrecht gehenden Echse. Josh steckte den Finger in das Schnapsglas und zeichnete Linien auf die Theke. Der Ghul beäugte ihn auf beunruhigende Weise.
    Joshua spürte Augen von überall auf sich. Er konnte nicht genau sagen, ob er sich das einbildete, entschied aber, dass er auf jeden Fall irgend etwas tun musste – entweder gehen, um zu sehen, wer ihm folgte, oder etwas Wagemutigeres.
    Lässig zog er einen Zettel aus der Tasche – so, als hätte er eine Zigarette oder ein Kokablatt gesucht und dieses wertlose Stück Abfall gefunden; ein halbes Zigarettenpapier, mehr nicht. Er ließ es auf die Theke fallen, zu bedeutungslos, um sich darum zu kümmern, und ließ es, während er sich der Blicke der anderen bewusst war, dort liegen. Er trank weiter und zeichnete neue Linien auf die Theke. Nur führten manche dieser Linien jetzt auch über das Papier, und immer wieder fuhr sein Finger über die Zitronenschnitze, als wären sie Probiersteine.
    Bis er im richtigen Augenblick hinunterblickte, als falle ihm zum ersten Mal der Zettel auf. Er griff danach, betrachtete ihn uninteressiert, zog eine Kerze heran, besah sich das Papier im Licht, als wolle er sich und allen Zuschauern zeigen, dass es unbeschrieben war. Dann hielt er den Zettel an die Flamme. Spielte mit dem Feuer.
    Langsam begannen die schwachen braunen Buchstaben der unsichtbaren Zitrustinte in Erscheinung zu treten. Sie waren nur einen kurzen Augenblick sichtbar, bevor das Papier in Flammen aufging – lange genug, vielleicht, dass der

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