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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Kutscher gekuscht.«
    »Der Oberst?«, fragte Franziska gespannt, aber Bruno antwortete nicht und fuhr fort: »Was soll ich nun tun? Soll ich den Oberst anzeigen? Soll ich überall herumerzählen, was ich von ihm weiß? Was wird die Ina denken, wenn sie erfährt, was ihr Vater getan hat?« Er schwieg eine Weile und sagte dann schroff: »Aber bin ich’s nicht meinem Bruder schuldig? Muss ich’s nicht für ihn hinausschreien, dass der Oberst auf einen geschossen hat, der da in Berlin mit einem Bauchschuss mitten auf dem Platz lag?«
    »Was für ein Oberst?«, fragte Franziska und in ihr wuchs dumpfe Angst.
    »Deisius heißt er und wohnt bei den Barons. Du kennst ihn. Der ist der Mann, der damals in Berlin auf meinen Bruder geschossen hat.«
    Franziska sprang von ihrem Stuhl auf und lief durch die Werkstatt hin und her. Schließlich stieß sie hervor: »Tu nur, was du tun musst. Aber du wirst nicht nur Herrn Deisius treffen, nicht nur seine Tochter.«
    »Was gehen mich die Barons an?«, fragte Bruno.
    »Die Barons, ja, die auch. Aber vor allem wirst du mich unglücklich machen, mich und den Paul.«
    Bruno sah Franziska überrascht an. »Stimmt«, gab er zu. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Wenn Frau Baron erfährt, wer ihren Oberst ans Messer liefert, dann könntest du die Kundinnen verlieren. Aber soll ich deshalb schweigen?«
    »Es geht nicht um das Geschäft, Padre.« Franziska setzte sich nieder. »Ich kann dir nicht die Entscheidung abnehmen, ob du schweigen oder reden musst. Aber wissen sollst du, dass die Frau Baron mir für den Paul eine Stelle als Maschinist an der Dampfmaschine versprochen hat. Herr Baron hat nur zugestimmt, weil Deisius für Paul gesprochen hat. Paul soll sich vorstellen. Er kann arbeiten, wird bald seine Grübeleien aufgeben und wieder der alte Paul Bienmann sein. Wir könnten endlich heiraten.«
    Mit wachsender Betroffenheit hörte Bruno zu.
    Franziska fuhr ganz leise fort: »Bruno, ich weiß nicht, was du tun wirst, aber wie du dich auch entscheidest, Padre, du wirst immer zu uns gehören, hörst du?« Es klang, als ob sie sich selbst beschwor.
    »Lass gut sein, Franziska«, sagte Bruno niedergeschlagen. »Ich werde es mir wieder und wieder überlegen. Du findest, was du nicht suchst.«
    »Wie bitte?«
    »Ach, ich denke an einen Raben und an Lebenslose.«
    Ehe Franziska noch weiterfragen konnte, stürmte Karl in den Laden. »Ist Paul noch nicht aufgetaucht?«, fragte er.
    »Nein«, antwortete Franziska. »Ich habe ihn auch schon gesucht.«
    »Sei froh, dass er nicht zu Hause herumgesessen hat und dass du ihn dort nicht gefunden hast. Vielleicht rappelt er sich auf. Ich habe gestern ein langes Gespräch mit ihm geführt.«
    »Und was hast du ihm gesagt?«
    »Dass er endlich aufwachen soll. Schließlich ist er auch Vormund und für Bruno verantwortlich. Wenn er schon keine Arbeit hat, habe ich ihm gesagt, dann soll er die Gelegenheit nutzen und sich in einem Meisterkurs anmelden. Ich habe ihm gesagt: ›Paul, vielleicht bist du schon tot, du weißt es nur noch nicht.‹«
    »Und er? Was hat er dir geantwortet?«
    »Kein Wort. Ich habe ihm die Anschrift von der Handwerkskammer gegeben und ihm den Namen eines Genossen genannt, der dort Einfluss hat. Da kannst du dich morgen Nachmittag vorstellen und anmelden, habe ich ihm gesagt. Er hat weder zugestimmt noch abgelehnt und ist gegangen. Deshalb bin ich froh, dass er nicht zu finden ist. Vielleicht hat er sich aufgerafft und ist hingegangen.«
    »Oder er ist in eine Kneipe geflohen«, sagte Franziska skeptisch.
    »Wer weiß, vielleicht ist doch ein guter Tag heute«, sagte Bruno.
    »Er meint, weil ich für den Paul einen Arbeitsplatz gefunden habe.« Franziska schlug die Arme übereinander, als ob sie sich selbst fest halten müsste. »Jetzt erzähle ich überall herum, dass die Brauerei ihn einstellen will. Sie können im Maschinenhaus einen neuen Mann brauchen. Frau Baron sagt, sie will uns damit ein Hochzeitsgeschenk machen.«
    Karl war verblüfft. »Du musst bei den Barons einen Stein im Brett haben, Franziska«, sagte er.
    Bruno vermutete: »Das ist wahrscheinlich ein sicherer Arbeitsplatz.«
    »Klar«, sagte Karl. »Je schlechter die Zeiten, desto mehr wird gesoffen.«
    »Aber wer weiß, ob’s wirklich was wird.« Franziska schaute auf Bruno.
    »Ja«, sagte Karl. »Daran habe ich auch gerade gedacht. Wenn der Paul hört, dass du diese Sache eingefädelt hast, dann wird er sich vielleicht sperren. Er ist empfindlich, weißt du.

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