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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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hin stand ein Mann. Sie stürzte sich ihm in die Arme und rief: »Papa, die Möbel sind da! Sie sind herrlich!«
    Bruno war mit steifen Beinen herangekommen. Sie drehte sich zu ihm. »Und das, Papa, das ist der Schreiner, der die Möbel gemacht hat. Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Kurpek. Bruno Kurpek«, presste Bruno hervor.
    »Und singen kann er auch!«
    Deisius schmunzelte. Seine Narbe schimmerte weiß im Sonnenlicht. Er reichte Bruno die Hand und sagte: »Mein Name ist Max Deisius. Ich bin der Vater dieses stürmischen Mädchens.«
    »Ich weiß es«, sagte Bruno. Er spürte den festen Händedruck des Obersten. »Ich weiß es«, wiederholte er und lief davon.
    »Du wäschst und bürstest dir heute die Pfoten, Padre, als ob du die Leiche aus dem Rhein eingesargt hättest«, murmelte Steiner. An seiner schweren Stimme hörte Bruno, dass er getrunken hatte. »Dreh den Hahn zu, Junge, ich kann vorläufig kein Wasser mehr sehen.« Steiner schüttelte sich angewidert, legte sich in den unteren Teil eines Eichensarges und begann wenige Augenblicke später, laut zu schnarchen.
    »Ich gehe heute etwas früher, Fräulein Jutta«, sagte Bruno zu Steiners Tochter.
    »Kann ich verstehen«, antwortete die. »Wenn der Meister besoffen ist, haben die Lehrlinge Feiertag.«
    Bruno kam gerade beim Fischer Angenheister an, als der die Hütte auf seinem Kahn verschließen wollte.
    »So spät noch?«, fragte er.
    »Ja, Wüstenstunden. Ich wollte allein sein.«
    »Gut«, sagte Angenheister. »Ich gehe rüber in die Kneipe. Hier ist das Schloss. Wenn du Schluss machst, dann schließ gut ab und bring mir den Schlüssel.«
    »Ja«, sagte Bruno.
    Er drehte das Netz nur wenige Male hoch und fing nur Kroppzeug. Es wurde kalt. Der Mond stand voll am Himmel. »Bald wird der Strom Eis führen«, sagte Bruno zu sich selbst. Er kam erst spät heim.

39
    »Sind das nicht goldene Jahre?«, rief Hetty Baron und drehte sich in schnellen Walzerschritten durch den Salon. Ihr Rock flog.
    »Wie soll ich die Maße nehmen, Frau Baron, wenn Sie nicht eine Minute still stehen können?«, fragte Franziska.
    Frau Baron lachte auf, drehte sich zu Franziska hin, griff sie bei den Händen und wirbelte sie rundum. »Machen Sie nicht so ein finsteres Gesicht, Franziska. Karneval steht doch vor der Tür.«
    Das Metermaß glitt Franziska vom Arm. Sie bückte sich und hob es auf.
    »Sie sind nervös und verärgert, Franziska«, sagte Frau Baron und ließ sich in einen Sessel fallen. »Befürchten Sie, dass Sie die Kostüme nicht rechtzeitig fertig bekommen?«
    Als Franziska nicht gleich antwortete, fuhr sie fort: »Das darf auf keinen Fall geschehen, hören Sie? Ich müsste mich ja vor meinen Freundinnen schämen, Liebes. Stellen Sie sich vor, wie die spöttisch lachen, wenn meine Empfehlung ein Reinfall wird. Geht zu Ziskas Salon, habe ich ihnen gesagt. Alle werden sie euch bewundern.«
    »Sie können sicher sein, Frau Baron, es wird alles rechtzeitig vor den Karnevalsbällen geliefert.«
    »Aber irgendetwas ist doch mit Ihnen, Kindchen?« Frau Baron stand auf und legte Franziska die Hand auf den Arm.
    »Es macht Ihnen Kopfschmerzen, Frau Baron, dass etwas mit den Kostümen schiefgehen könnte. Sie befürchten, die Karnevalsbälle werden kein Erfolg. Aber ich, Frau Baron, ich habe ganz andere Sorgen.«
    »Sorgen? Sie haben Sorgen? Wo doch Ihr Salon floriert? Wo Sie auf der Schwelle zum Erfolg stehen?«
    »Es geht um Paul Bienmann. Wir wollten im November schon heiraten. Aber er hat allen Mut verloren, ist ein anderer geworden.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Frau Baron.
    »Er ist seit vielen Wochen arbeitslos, Frau Baron. Er traut sich nichts mehr zu, glaubt, dass ihn niemand braucht, dass er mir zur Last fallen wird. Wir haben beide eine sehr dünne Haut bekommen und streiten uns wegen tausend Kleinigkeiten. Mein Bruder Leo sagt: ›Wie Katz und Hund‹.«
    »Warum sucht er sich denn nicht eine neue Arbeit? Er ist doch sicher jung und kräftig.«
    »Ach, Frau Baron, Sie leben weit weg von der Blütentalstraße. Er hat sich oft und oft beworben, vorgestellt, gesagt, dass er gute Zeugnisse hat, dass es ihm gleich ist, wenn er keine Stelle als Maschinenschlosser bekommt, wenn er nur irgendeine feste Arbeit findet.«
    »Und ohne Arbeit will er nicht heiraten?«
    »Ja, das sagt er.«
    »Und Sie können ihn nicht umstimmen?«
    »Er kommt aus Ostpreußen und hat einen harten Schädel.«
    »Ich hätte meinem Emil etwas anderes gesagt. Wo kämen wir Frauen hin, wenn wir

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