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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Er will’s aus eigener Kraft zwingen, denkt vielleicht, wenn du dahintersteckst, dann müsste er dir sein ganzes Leben lang Danke schön sagen.«
    »Unsinn!«, rief Franziska heftig, aber sie erkannte, dass Karl alles andere als Unsinn geredet hatte. »Und was nun?«, fragte sie.
    »Vielleicht weiß ich einen Ausweg«, sagte Bruno. »Ich könnte das Gespräch ja darauf bringen. Im Stall bei den Kutschern wird viel geredet. Vielleicht auch, dass ein Maschinist gesucht wird. Er soll doch schleunigst mal vorsprechen. Schließlich ist der Stallbaron ein Landsmann.«
    »Das ist gut«, stimmte Karl zu. »Das kannst du machen. Paul beißt bestimmt an.«
    »Willst du das denn überhaupt, Padre?«, fragte Franziska.
    »Ich glaube, ja. Ich bin auch dem Paul was schuldig, nicht nur dem Wilhelm.«
    »Du redest in Rätseln, Padre«, sagte Karl.
    »Für Franziska nicht«, erwiderte Bruno. »Ich sehe mal nach, ob ich den Paul finde.«
    Bruno lief auf die Straße. Es war ihm, als ob eine Last von ihm abgefallen wäre. Er rannte los und sprang zwischendurch hoch empor.
    Oma Beilen saß an ihrem Fenster und dachte: Es liegt Frühling in der Luft. Die Kälber machen große Sprünge.

41
    »Hoi, Padre«, rief Angenheister aufgeräumt, als Bruno und Alwin eine Woche nach Franziskas und Pauls Hochzeit auf seinen Kahn sprangen. »Hast ja eine neue Mütze auf.«
    »So ist es«, bestätigte Bruno. »Ein Geschenk der beiden Feigels. Hannah hat gesagt, in den Augen einer Hutmacherin sei meine alte Mütze eine Beleidigung für die gesamte Zunft. Also habe ich Wilhelms Mütze an einen Nagel über mein Bett gehängt.«
    »Die neue passt besser zu dir«, sagte Angenheister. Er drehte das Netz herauf. »Wieder keinen einzigen Fischschwanz«, knurrte er. »Den ganzen Nachmittag sind mir nur zwei winzige Kaulbarsche ins Netz gegangen. Ich habe sie in hohem Bogen wieder in den Rhein geworfen, die Biester.«
    »Sie können nicht alle Tage einen großen Salm fangen«, tröstete Bruno ihn. »War aber auch ein gewaltiges Tier, etwa um die 30 Pfund schwer, und den haben Sie Paul und Franziska geschenkt!«
    »Habe nur selten einen größeren Fisch ans Land gehievt. Einmal, das war 1913, da habe ich einen Stör erwischt. Wie ein Baumstamm zog er mir das Netz nach unten. Der wog 42 Pfund und hatte eine mächtige Menge Rogen im Bauch. Das war ein Kaviar, sage ich euch.«
    »Pfui Deibel!«, rief Bruno. »Ich spucke auf Kaviar.« Er erinnerte sich an Frau Podolskis Küche in Berlin und an die Enttäuschung, als sie Kaviar probiert und nur qualliges Salz geschmeckt hatten.
    »Hast ja keine Ahnung, du Banause«, protestierte Angenheister. »Kaviar, das ist was für kultivierte Zungen. Ich wette, bei Franziskas Hochzeit wäre sogar der Frau Baron vor Verwunderung der Mund offen stehen geblieben, wenn in der Blütentalstraße Kaviar angeboten worden wäre. Aber es war eben ein Salm, den ich gefangen habe, ein Salm und kein Stör.«
    »Dein Fisch war nicht zu überbieten«, behauptete Bruno. »Der hat der reichen Frau Baron geschmeckt und auch dem armen Schlucker, dem Mathes März. Das war ein Fisch für jeden Geschmack.«
    Alwin sagte: »Der Leckerbissen hat den Mathes so sehr begeistert, dass er sich sogar zu einer Rede aufgeschwungen hat. ›Paul‹, hat er gerufen, ›lass dir das von einem Kommunisten sagen, die Franziska ist ein Klasseweib. Wenn du sie nicht gut festhältst, dann fange ich sie mir ein. Eigentum ist sowieso Diebstahl.‹«
    »Der Hermann hat sich auch nicht lumpen lassen«, fuhr Bruno fort. » ›Was heißt hier Klasseweib?‹ hat er gesagt. ›Franziska ist ein Rasseweib. Und unserer Partei gehört die Zukunft. Wenn Franziska jemals frei sein sollte, an meiner Seite wird …‹
    ›. . . und das neue Deutschland!‹, › … und morgen die ganze Welt!‹ flogen die Spottworte hin und her. Aber Hermann nahm’s nicht krumm. Karl Schneiders selbst gebrauter Johannisbeerwein und Pauls Bier hatten ihm den Kampfgeist geraubt. ›Ihr werdet es alle noch erleben‹, prophezeite er, ›unser Adolf Hitler, der hebt die Welt aus den Angeln.‹«
    »Er ist ein Spinner, der Hermann«, sagte Alwin. »Aber der Salm, der konnte einen schon begeistern. Das war ein kapitaler Bursche. Hätten Sie ihn verkauft, Herr Angenheister, Sie hätten ’ne ganze Stange Geld dafür bekommen können. Sie sind doch kein Krösus und bringen trotzdem zur Hochzeit so ein wertvolles Geschenk.«
    Der Fischer schaute spöttisch auf Alwin. »So sind sie, die jungen Herren«,

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