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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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nur daran, wie sie den Umsatz in die Höhe treiben können. Bei ihren Geschäften ist ihnen jeder Partner recht. Sie würden sogar mit dem Teufel paktieren, wenn es um die Brauerei geht.‹«
    »Wer ist denn das eigentlich, dieser Hitler?«, fragte Bruno.
    »Ein Frontsoldat ist er. In Feld und Feuer geschmiedet. Und seine Partei ist auf ihn eingeschworen. Da gibt’s kein langes Hin und Her, kein Palaver. Was Hitler befiehlt, das wird gemacht. Wenn er redet, dann begeistert er die Menschen. Hat aber auch einen Blick, sage ich Ihnen, der zieht jeden in seinen Bann.« Er zog heftig an seiner Zigarette.
    »Haben Sie ihn denn schon gesehen?«
    »Das nicht. Ich meine, nicht von Angesicht zu Angesicht. Aber kommen Sie mit, ich zeige Ihnen Adolf Hitler.« Er sprang von der Fensterbank und zog Bruno am Arm über den Flur in das gegenüberliegende Zimmer. Das war eher eine enge Kammer. Ein schmales Feldbett stand in der Ecke, zwei Wolldecken ordentlich darauf zusammengelegt, ein Holzsessel, ein schmaler Kleiderschrank, ein Brett auf zwei Böcken war eine Art Schreibtisch. An der Wand hing ein Degen und darüber eine Offiziersmütze. Bücher lagen in Stapeln sorgfältig aufgeschichtet.
    »So wohnt der Oberst?«, fragte Bruno verblüfft.
    »Jawohl, mein Lieber. Einfach und hart gegen sich selbst. ›Luxus verweichlicht den deutschen Mann‹, sagt er.« Felix schritt auf den Schreibplatz zu. »Das ist der Führer!« Er zeigte auf ein großes gerahmtes Foto. Der Mann, den es zeigte, trug den Kopf etwas gesenkt und schaute von unten her genau auf den Betrachter. Die dunklen Haare waren rechts gescheitelt, der Mund fest geschlossen. »Das ist der Führer«, wiederholte Felix.
    »Na ja«, sagte Bruno. »Ein Bild wie jedes andere.«
    Felix schaute den Jungen erstaunt an. »Sie reden wie die Gnädige. Spüren Sie denn nicht, dass von diesem Mann etwas ausgeht?«
    »Nee«, sagte Bruno. »Aber Hunger spüre ich langsam. Ich muss sehen, dass ich die Arbeit zu Ende bringe.«
    »Kein Gefühl für das Große«, murrte Felix.
    Bruno summte leise vor sich hin. Das gefiel ihm besonders an der Arbeit als Schreiner, dass es niemand störte, wenn er pfiff oder sang. Er brauchte nur noch die Zwischenböden einzulegen und die Schubladen einzuschieben, dann war Feierabend.
    »Drei Zigeuner fand ich einmal liegen an einer Weide …«, sang er leise.
    » … als mein Fuhrwerk mit müder Qual schlich durch die sandige Heide«, fiel eine zweite Stimme ein.
    Vor Schreck entglitt Bruno die Schublade und polterte auf den Fußboden. Er fuhr herum. Da stand ein hellblondes Mädchen im Türrahmen und lachte. »Ich höre schon eine Weile zu«, sagte sie. »Ich kenne die Lieder auch, die Sie singen. Sie haben eine gute Stimme.«
    »Sie auch«, stammelte Bruno und kam sich ziemlich blöd vor.
    Sie ging durch das Zimmer und betrachtete die Möbel. »Schön, nicht?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Ich habe sie mit meinem Vater entworfen. Ihr Meister hat Sie genauso gemacht, wie ich sie mir vorgestellt habe.«
    »Ich auch, bitte. Ich habe auch daran gearbeitet.«
    »Ach ja?«
    »Woher kennen Sie denn solche Lieder?«, fragte Bruno.
    »Vermutlich wo sie Ihnen auch begegnet sind.«
    »In der katholischen Jugend?«
    »Das nicht gerade.« Sie lachte. »Ich bin beim Wandervogel.«
    »Hat Ihr Vater nichts dagegen?«, fragte Bruno.
    »Warum sollte er?« Sie schaute ihn prüfend an. »Mein Vater hat nur selten etwas gegen das, was ich vorhabe.«
    »Und Ihre Mutter? Ich meine wegen der Fahrten und Lager mit Jungen und Mädchen gemeinsam.«
    Sie lachte wieder. Diesmal klang es etwas spöttisch. »Sie sind mir vielleicht ein komischer Kerl! Aber was meine Mutter betrifft, die ist seit 1914 tot. Sie machte gerade Ferien auf dem Gut im Memelland, das meinem Großvater gehörte. Sie wollte den russischen Soldaten mit der Reitpeitsche den Eintritt in das Herrenhaus verwehren.« Ina schwieg eine Weile, lachte dann aber wieder. »Aber mein Vater, er ist der beste Vater, den Sie sich denken können. Er ist ganz sanft und lieb mit mir. Dieses Zimmer schenkt er mir zum Geburtstag. Übermorgen werde ich sechzehn.«
    »Ina, bist du schon da?«, schallte es von unten.
    »Ja, Tante Hetty!«, rief das Mädchen zurück.
    »Ich bin mit der Arbeit fertig«, sagte Bruno. »Vielleicht begegnen wir uns mal beim Wandern oder so.«
    »Das wäre ganz schön«, sagte Ina.
    Sie gingen nebeneinander die Treppe hinunter. Die letzten Stufen sprang Ina und lief durch den Flur. Auf der Freitreppe zum Garten

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