Zeit zu hassen, Zeit zu lieben
sagte er. »Rechnen perfekt alles in Heller und Pfennig um. Aber, mein Lieber, es gibt vieles, was niemand kaufen kann. Hast du bemerkt, wie stolz die Mathilde Reitzak war, als sie mit der Frau Borboschilski den Salm auf einem Brett ins Zimmer trug? Rot war ihr Gesicht vor Freude und die Augen glänzten. Hast du beobachtet, wie geschickt der alte Reitzak dem Salm das Messer hinter dem Kopf in den Rücken stach und wie behutsam, ja, wie feierlich er den Fisch zerlegte? Hast du’s nicht gespürt, wie dir, und uns allen auch, das Wasser im Mund zusammenlief? Und jeder Hochzeitsgast, selbst die Steigersfrau aus Gelsenkirchen, ja, sogar die Baronsche Madam, sie werden sich in Jahren noch erinnern: Damals bei der Hochzeit in der Blütentalstraße, da gab’s einen köstlichen Salm. Petersilie hatte er in seinem gefräßigen Maul und eine Krone aus einem Apfel hatten sie ihm zwischen die Augen gesetzt und golden floss die zerlassene Butter ihm wie ein Mantel über den Rücken. Er lag da auf dem Brett wie ein ägyptischer Pharao in seinem Grab, jeder Zoll ein König. Schließlich blieben nur Kopf und Schwanz und Grätengerüst übrig. Asche zu Asche!
Das ist es, was ich meine. Alles kannst du nicht kaufen. Wenn die Baronsche zur Gesellschaft einlädt, sicher, sie lässt vielleicht auch einen Salm servieren. Aber das ist bei denen nichts Besonderes. Sie können sich’s leisten. Kein Tropfen Wasser läuft im Munde zusammen. Keiner ist über die Maßen stolz, keiner staunt, niemand lässt sich überraschen. Sie bemerken gar nichts von dem Stück Himmel, das da auf die Erde herabgekommen ist.
Und siehst du, bei den Leuten von der Blütentalstraße sitze ich und höre, wie sie sagen: ›Der Angenheister – glaubt’s oder glaubt’s nicht –, der hat diesen herrlichen Fisch eigenhändig mit seiner Tütebell gefangen, hat mit schnellem Schlag verhindert, dass der Salm emporschnellte und ins nasse Element zurücksprang. Ein Fischer von echtem Schrot und Korn ist er, ein Tausendsassa. Hoch lebe er, der Angenheister!‹ Seht ihr, dann sitze ich da, senke meinen Blick verlegen auf das Tischtuch, wehre das Lob bescheiden ab, aber hier, hier drin«, er zeigte auf seine Brust, »da tief innen wächst ein starkes Gefühl, Jungs, das ist heiß und löst für einen Augenblick das Gewicht von deinem Körper, wirst leicht wie eine polnische Gänsedaune, glaubst, du schwebst über dem Stuhl. Das ist’s, was ich meine. Wenn du die Feder dann auf die eine Seite der Waage legst und alle lumpigen Kröten, die irgendein Geldsack dir für den Salm ausschütten würde, das ganze Geld schichtest du in die andere Waagschale, ich sage euch, niemals wird alles Geld der Welt das aufwiegen, was du in deiner Brust gespürt hast. Ist eben noch längst nicht alles zu kaufen.«
Bruno und Alwin hatten die Rede des Fischers erstaunt und ein wenig belustigt angehört, und als Angenheister sagte: »Das viele Gequassel macht einem den Gaumen trocken«, und zu seiner halb vollen Flasche Kümmelschnaps griff, da ahnten sie, was dem sonst eher wortkargen Mann die Zunge gelöst hatte.
»Es stimmt«, sagte Alwin, »der Salm war das tollste Hochzeitsgeschenk.«
»Das zweitbeste war’s«, widersprach Bruno. »Das, was Paul und Franziska so richtig glücklich gemacht hat, das war die neue Arbeit in der Brauerei.«
»Das stimmt«, gab Angenheister zu. »Bier war ja genug im Haus.«
»Das hat der Paul schwer genug erworben«, erzählte Bruno. »Sie haben ihm drei Fässer auf die Laderampe gerollt, eines von 50 Litern, eins von 75 Liter und ein 100-Liter-Fass. Dann hat der Braumeister Wiener gesagt, Paul hätte einen einzigen Versuch. Er dürfte ein Fass stemmen. Wenn er’s bis über die Schulterhöhe brächte, dann sei es das Hochzeitsgeschenk der Brauer. Wenn nicht, dann müsse er sich mit einem Blumenstrauß begnügen. Der Paul hat nicht lange überlegt, ist an das 75-Liter-Fass herangetreten und hat es hochgestemmt. Die Adern an seinem Hals sind ganz blau und dick geworden, aber er hat es geschafft.«
»Jaja«, sagte Angenheister, »an Bier war kein Mangel.« Er nahm noch einen Schluck aus der Kümmelflasche.
»Ich möchte nur wissen«, sagte Alwin, »ob der Paul gemerkt hat, dass er der Franziska die Stelle verdankt.«
»Ich glaube, er weiß es«, sagte Bruno. »Als die Frau Baron hereinrauschte und zuerst die ganze Hochzeitsgesellschaft ziemlich stumm wurde, da hat sie den Paul gefragt, ob er mit ihrem Hochzeitsgeschenk zufrieden sei.
Erst hat der Paul
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