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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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hatte die Rutsche nicht genügend abgestützt. Jedenfalls war sie, als gerade eine Menge Kohlen hinunterrutschte, selbst ins Gleiten geraten und hatte den Hund aus den Gleisen gestoßen.
    Als der Kohlenstaub sich gelegt hatte, wurde klar, was geschehen war. Der Hund lag halb unter Kohlen begraben und die Rutsche war zersplittert.
    Die ganze Kolonne hatte wie wild die halbe Schicht geschuftet, bis alles wieder im Lot war. Der Steiger hatte herumgeschnauzt und geschrien: »Zick! Ich ziehe Ihnen das alles vom Gedinge ab! Das ist ja vielleicht ein Sauhaufen geworden!«
    »Seit der Bienmann bei uns ist, geht alles schief«, fauchte einer aus der Kolonne.
    »Na, na«, versuchte Zick seine Männer zu beruhigen. »Jeder kann mal Pech haben.«
    »Was heißt hier Pech? Der Bienmann ist eine Flasche. Das haben wir schon nach einer Woche gewusst.«
    »Soll er doch in seine kalte Heimat zurückgehen.«
    Paul biss die Zähne zusammen und wühlte sich in die Kohle hinein. Hacken, schaufeln, brechen, wieder schaufeln, endlich Schicht. Feierabend.
    Keiner aus der Kolonne hatte nach dieser Sache auch nur ein Wort mit ihm gesprochen.
    Am Zechentor sah er, dass der Steiger auf den Pförtner einredete. Der Pförtner schob sein kleines Fenster hoch und rief: »Bienmann, Paul! Komm mal eben rein!«
    Als Paul das Pförtnerhaus betrat, war der Steiger nicht mehr da.
    »Glück auf!«, sagte der Pförtner. Bei ihm waren zwei Männer vom Werkschutz. Der Pförtner saß auf einem hohen Hocker und schaute auf die hinausströmenden Bergleute.
    »Gibt’s was?«, fragte Paul.
    Langsam wandte sich der Pförtner den beiden Männern zu, ohne Paul anzusehen. »Taschenkontrolle«, sagte er.
    Paul schob ihnen seine Tasche bereitwillig über die Theke. Die Männer packten sie aus.
    Das Mutterklötzchen, ein handlanges Stück von einem Holzstempel, klein gehackt und zum morgendlichen Feueranzünden von Frau Reitzak hoch geschätzt, hatte er wie üblich mit einem Draht fest zusammengebunden.
    Es war zwar nicht erlaubt, das Holz aus der Zeche mitzunehmen, aber jeder wusste, dass es kaum einen Bergmann gab, der ohne Mutterklötzchen nach Hause kam.
    Die Werkschutzleute legten seinen gesamten Tascheninhalt auf die Theke. Der größere tippte mit dem Finger darauf und zählte: »Erstens: Blechflasche; zweitens: Butterbrotdose; drittens: Henkelmann; viertens: Mutterklötzchen. Sonst nichts.«
    »Holz mitnehmen ist Diebstahl«, sagte der Pförtner.
    »Machen doch alle«, widersprach der Werkschutzmann.
    Der Pförtner schaute ihn giftig an.
    »Aufmachen«, befahl er und zeigte auf das Mutterklötzchen.
    Mit einer Zange kniff der Werkschutzmann den Draht durch. Das Bündel fiel auseinander. Mitten darin lag ein nagelneuer Schraubenschlüssel.
    »Da haben wir’s«, triumphierte der Pförtner. »Ein Achtzehner-Schlüssel.«
    Paul starrte auf den Schlüssel und sagte erregt: »Den hat mir einer da hineingesteckt.«
    »Das behaupten sie alle.«
    Der Pförtner griff zum Telefonhörer und sagte zu Paul: »Los, trab schon ab zum Personalbüro. Sie sollen dir die Fleppen fertig machen.«
    »Ich werde mich beschweren«, rief Paul erbittert.
    »Sicher!«, lachte der Pförtner. »Ich melde dich schon mal beim Betriebsrat an, damit sie dich nicht warten lassen.«
    Die beiden Männer im Büro des Betriebsrats zuckten die Achseln. Sie hatten keine Kohlenstaubränder mehr rund um die Augen und ihre Hände waren längst frei von Schwielen und sie würden vieles tun, damit auch keine mehr hineinkamen.
    Der Jüngere sagte: »Ein Schraubenschlüssel in deiner Tasche versteckt, Kumpel, da ist nichts zu machen.«
    Paul kämpfte. So leicht ließ er sich nicht fertigmachen. Er erzählte, was im Schacht vorgefallen war.
    »Wie wär’s, wenn du es mal bei der Zeitung versuchst?«, fragte der jüngere der beiden Gewerkschaftler zynisch. »Du kannst wirklich spannende Geschichten erfinden.«
    »Halt die Fresse!«, fuhr ihm der ältere Mann über das Maul und der jüngere duckte sich. »Vielleicht ist was dran.« Er wandte sich an Paul. »Kumpel, möglich, dass du die Wahrheit sagst und du bist so unschuldig wie ein Lamm. Möglicherweise auch nicht. Vielleicht bist du ein dreckiger Schakal. Aber weil du vielleicht ein Lamm bist, ein weißes, deshalb will ich für dich sprechen. Ich werde fordern, dass nichts von dem Schraubenschlüssel in deine Papiere kommt.«
    Daran hatte Paul noch gar nicht gedacht. Eine Bemerkung über Diebstahl in seinem Zeugnis und er war erledigt. Werft,

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