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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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weil es in dem kargen Konferenzraum sonst nichts anzuschauen gibt. Man sitzt an einem endlos langen Tisch, fast leer, auf dem unerklärlicherweise eine Kiste Kleenex und ein Stück Seife stehen. Am anderen Ende sitzt Kay Kinton, die Pressesprecherin, und tippt abwesend in ihr Blackberry. Auf dem Tisch steht außerdem noch ein Ufo-förmiges Telefon.
Das Ding wird eingeschaltet, und am anderen Ende meldet sich Stephen Schmidt, ein wichtiger Mann bei AWS. Er ist der Chief Information Security Officer, also zuständig dafür, dass die vielen Kundendaten auf den Amazon-Computern sicher abgelegt und nicht ausgespäht werden können. Schmidt war früher einmal beim FBI.
    Aber erstmal redet Silipsky einfach weiter. Warum sich Firmen darauf einlassen, anderen Leuten die Kontrolle über ihre Daten und ihre Rechner zu übergeben? »Weil wir IT-Manager in Helden verwandeln können«, sagt Selipsky. »Mit unserer Hilfe schaffen sie mehr Leistung mit weniger Aufwand. Einer unserer Kunden ist eine große Chemiefirma. Wenn deren Forscher früher kamen und sagten, wir wollen einen Supercomputer für ein paar Tests, dann sagten die: In zehn Wochen habt ihr ihn. Und heute? Da sagen sie: Klar – in zehn Minuten habt ihr ihn!«
    Und das soll zuverlässig funktionieren? Stephen Schmidt ist dran. Er räuspert sich, beziehungsweise das Ufo auf der Tischplatte räuspert sich, und seine Stimme sagt aus dem Lautsprecher: »Die Leute verlagern ihre Daten zu Amazon, weil es bei uns sicherer ist als auf den Servern im eigenen Unternehmen. « Durchs Telefon hält er einen Vortrag über API-Calls, kryptografisch sichere Prozesse, ISO-Sicherheitsnormen und verschlüsselte Tunnel. Als der Reporter zugibt, dass er davon jetzt nur ein paar Prozent verstanden hat, lachen alle herzlich. Die Pressesprecherin sagt, dass es ihnen hier auch immer so gehe, wenn Stephen redet, aber das ist natürlich ein Scherz. »Katastrophale Ausfälle sind immer möglich«, gibt Schmidt zum Ende des Gespräches zu. Wie überall, nicht nur bei Amazons Datendiensten. Aber solche Ausfälle seien extrem, extrem, extrem unwahrscheinlich.
    All das könnte ein reines Spezialthema für Computerfreaks sein, wenn nicht ein solch gewaltiges ökonomisches Versprechen dahinterstünde. Neben Amazon versuchen auch Google, Microsoft und IBM mit schwerelosen Datencentern ganz groß ins Geschäft zu kommen. Und längst nicht nur in Amerika: Im Herbst 2010 startete Microsoft auch in Deutschland
seine »Go Cloud-Initiative für die deutsche IT-Industrie«, und ein Mitglied der deutschen Microsoft-Geschäftsführung erklärte: »Deutsche Unternehmen stehen heute nicht mehr vor der Frage, ob sie das nutzen, sondern wie und in welchem Umfang.«
    Das Versprechen besteht nicht einfach darin, ein paar Kosten zu sparen, weil ausgelagerte Computerdienstleistungen billiger sind. Das Versprechen besteht tatsächlich in einer neuen Art zu wirtschaften.
    Der Traum, den Amazon & Co. verkaufen, lautet: Neue Knotenpunkte der Weltwirtschaft, ja komplett neue Arten, Geschäfte zu betreiben, könnten über Nacht entstehen. Man erfindet einen neuen Service und kann ihn blitzschnell im großen Stil auf der ganzen Welt anbieten. Rechenleistung? Kein Problem. Wenn die Sache ein Erfolg wird, genügen ein paar Klicks auf der AWS-Webseite, und man besitzt die zehnfache Menge virtueller Computer, bei Bedarf gleich in mehreren Kontinenten. Wenn die Sache scheitert, bestellt man die virtuellen Computer wieder ab.
    Einfach mal probieren: Die neue Experimentierwirtschaft
    Es ist noch gar nicht so lange her, da verkündeten ernst zu nehmende Wirtschaftswissenschaftler: Die ganze Flut von Computern und Unternehmensnetzwerken bringt der Wirtschaft unterm Strich überhaupt nichts.
    Mitten im euphorischen Internetboom der neunziger Jahre verkündeten diese Herrschaften solche sauertöpfischen Thesen. Sie mochten nicht an die Verheißungen einer »New Economy« glauben. Angefangen hatte Robert Solow, der große amerikanische Wachstumstheoretiker, indem er bereits ganz früh im Jahre 1987 das »Solow-Paradox« aufstellte: Warum waren neuerdings überall Computer zu sehen, »bloß nicht in den Produktivitätsstatistiken«? Studien kamen zu dem Ergebnis, dass diese Kisten und Drahtgeflechte für das Bruttoinlandsprodukt unterm Strich eher nutzlos seien.

    Das hat sich aber tüchtig

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