Zeitbombe Internet
vielleicht sei im Internet sowieso niemand »zu 100 Prozent sicher«. Der Reputationsschaden war gewaltig. Es könnte Sammelklagen auf Schadenersatz geben.
Das öffentliche Interesse an solchen Fällen ist erwacht. Die Schlagzeilen und damit die Reputationsschäden werden gröÃer. Besonders in den USA, wo gigantische Schadenersatzklagen üblich sind, steigt die Zahl der Prozesse gegen Firmen, die Kundendaten verloren haben. 2010 musste der Zahlungsabwickler Heartland, der 2008 etwa 130 Millionen Kredit- und Bankkartendaten verloren hatte, die sagenhafte Summe von 140 Millionen Dollar zahlen. Die Firma überlebte trotzdem. Im März 2011 traf es den Konzern Epsilon, der offenbar Millionen von Kundendaten verlor, die er im Auftrag einer ganzen Serie wohlbekannter amerikanischer Konzerne verwaltete: der Hotelkette Hilton und der GroÃbanken Citi und JP Morgan Chase, des Filmaufzeichnungsdienstes TiVo und des Unterhaltungskonzerns Disney, der Drogeriekette Walgreens, des TV-Verkaufskanals Home Shopping Network und vieler mehr. Ob Epsilon den Datenskandal überlebt? Zum Redaktionsschluss war es unklar.
Nachtrag
Im April 2011 ging nichts mehr im groÃen Datenhafen von Amazon. Ein groÃer Teil der Dienste von AWS fiel aus â fast vier Tage lang. Zu den betroffenen Unternehmen, bei denen in dieser Zeit alles stillstand, gehörten einige der groÃen Namen der amerikanischen Wirtschaft. Und auch RegierungsWebseiten wie beispielsweise die des Energieministeriums konnten nicht erreicht werden.
Amazon erklärt, dass wenigstens die Kundendaten in einer überwältigenden Mehrheit der Fälle nicht verloren gegangen seien. Der amerikanische Internetexperte Henry Blodget zitierte aber aus einer E-Mail, die AWS nach seinen Angaben einem groÃen Kunden hatte zukommen lassen: »Es tut uns leid, aber am Ende waren unsere Bemühungen, Ihre Daten manuell wiederherzustellen, nicht erfolgreich.⦠Wir entschuldigen uns für diesen Datenverlust und für jedwede Beeinträchtigung Ihrer Geschäfte.«
7. Krieger mit der Maus â Das Militär rückt in den Cyberspace vor
Die versehentliche Invasion von Costa Rica begann im Oktober 2010, und sie war zum Redaktionsschluss dieses Buches noch in vollem Gang. Zum Glück ist bisher nicht viel Schlimmes passiert. Eine Militäreinheit aus Nicaragua überschritt die gemeinsame Grenze in der Nähe der Mündung des San-Juan-Flusses, nahm eine costa-ricanische Nationalflagge ab, ersetzte sie durch eine eigene und errichtete ein Camp auf dem Inselchen Calero. Ferner, so berichtete es die costa-ricanische Tageszeitung La Nacion, haben die Soldaten im Fluss gebaggert.
Schüsse fielen keine, was schon alleine daran lag, dass man in Costa Rica kein Militär hat. Seither hängt der diplomatische Haussegen zwischen beiden Ländern schief, es gab schon Demonstrationen vor den Botschaften, Resolutionen der Nachbarstaaten, Schlichtungsbemühungen, einen Urteilsspruch des Internationalen Gerichtshofs zugunsten Costa Ricas, den Besuch internationaler Beobachter im Invasionsgebiet und so weiter. Nicaragua stellte sich stur und belieà die Soldaten zunächst am Fluss.
Beobachter einigten sich schnell: Das war kaum mehr als eine der üblichen Possen in der zentralamerikanischen Provinz. Ihren Nachbarschaftsstreit pflegen Nicaragua und Costa Rica schon seit Ewigkeiten, und oft geht es um die Flussmündung des San Juan.
Es gab bei dieser Invasion aber ein paar besondere Umstände: Die nicaraguanischen Truppen beriefen sich nämlich auf den kalifornischen Internetkonzern Google. Der Kommandeur der Truppe, so hieà es aus Managua, habe sich bei seiner Einsatzplanung am Onlinekartendienst Google Maps orientiert. Dort war die Grenze zum Zeitpunkt des Einmarsches aber falsch gezogen, zu Gunsten Nicaraguas und zu Ungunsten Costa Ricas, was man bei Google auf Anfrage gleich zugab. Das Ursprungsmaterial dieser Karten sei vom US-AuÃenministerium
geliefert worden, lieà der Konzern erklären, jedenfalls sei es alt.
Ein wenig merkwürdig klingt das immer noch: Die Grenzziehung zwischen Nicaragua und Costa Rica ist bereits im Jahr 1858 ausgehandelt worden, sogar Amerikas Diplomaten haben sie seinerzeit ausdrücklich anerkannt, und Google-Konkurrenzprodukte wie der Microsoft-Kartendienst Bing boten schon immer richtige Karten an.
Auf jeden Fall fiel reichlich Spott auf die Latino-Invasoren wider Willen: Was soll
Weitere Kostenlose Bücher