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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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Augenblick später erneut herauskam. Diesmal ging er zügig vorüber.
    Helène hatte den Rehrücken angeschnitten und auf die Teller verteilt. Von Drewitz schenkte den Wein ein, erhob sein Glas und sagte feierlich: »Auf die charmanteste Gastgeberin von ganz Elsass-Lothringen!«
    »Sie kennen alle?«, fragte Helène, »Sie sind mir ja einer! Besuchen Sie sie reihum, jeden Abend eine?«
    Von Drewitz sah sie ernst an. »Helène, ich bin verrückt nach Ihnen! Ich brauche keine andere zu kennen. Dass Sie hier allein in diesem großen Haus sind – ich kann an nichts anderes mehr denken …«
    Helène überspielte ihr Unbehagen und hob lächelnd das Glas. »Auf den bestinformierten Mann im ganzen Reich«, sagte sie und versuchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Wie stehen die Dinge? Ich erfahre hier rein gar nichts.«
    Von Drewitz sah sie geschmeichelt an. »Nun, wir haben Elsass-Lothringen wieder fest im Griff. Was der Franzmann sich dabei gedacht hat, mag der Himmel wissen – einfach so hier einmarschieren, als wären wir die Pappkameraden vom Dienst! Und jetzt versucht er, an der Marne unsere Streitmacht aufzuhalten. Jeder, der noch zwei Beine hat, wird in die Schlacht gehetzt. Mit Taxis haben sie sie herangekarrt! Aus Paris, direkt aus dem Moulin Rouge, sie rochen noch nach Champagner, sagt man. Noch ist es nicht vorüber, aber es wird nicht mehr lange dauern, dann holt er sich eine blutige Nase.«
    »Ist Ihnen das Fleisch zu blutig?«, fragte Helène.
    »Wie könnte es das sein, wenn diese Hände es zubereitet haben?«, sagte er, ergriff ihre Hand und führte sie an seine Lippen. Dann erhob er sich halb aus seinem Stuhl und beugte sich zuHelène, seine andere Hand lag auf ihrem Schenkel. Helène sah sich suchend im Raum um, aber ihr fiel nichts ein, womit sie ihn hätte ablenken können. Er legte einen Arm um ihre Schulter und zog sie zu sich heran – als aus dem Keller lautes Rumpeln zu vernehmen war. Von Drewitz riss die Augen auf. »Wer ist hier im Haus?«, fragte er scharf.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Helène, »normalerweise niemand. Aber manchmal treiben die Marder im Keller ihr Unwesen. Wollen wir nicht … bevor es kalt wird …?« Sie deutete auf die Teller.
    Von Drewitz sprang auf und ging zur Kellertreppe. Helène saß erstarrt am Tisch, sie wusste nicht, was tun. Wenn er Adèle fände! Sie hörte ihn die Türen der Kellerräume öffnen und wieder zuschlagen, begleitet von lauten Flüchen. Dann plötzlich krachte es im ersten Stock. Ein Poltern folgte. Von Drewitz stürmte herauf, warf einen wilden Blick auf Helène und deutete dann nach oben. »Und da?«, fragte er, »auch Marder?« Er lief hinauf und inspizierte die Zimmer. Dann erschien er außer Atem auf der Galerie und sah zu Helène hinunter. »Und wo poltert es als Nächstes?«, fragte er. Helène zuckte die Achseln und zeigte auf die Teller. »Noch ist das Essen warm«, sagte sie.
    Die Mahlzeit verlief wortkarg. Bei jedem Geräusch spitzte von Drewitz die Ohren, nervös stieß er erst seines, dann Helènes Weinglas um.
    »Es gibt Crème Brulée«, sagte Helène, »darf ich sie auftragen?«
    Johann von Drewitz sah sie an, tiefe Enttäuschung im Blick. Dann schüttelte er den Kopf. »Ein andermal«, sagte er, »mir ist der Appetit vergangen. Hier spukt’s …«
    »Aber mein Lieber!«, sagte Helène, »doch nicht bei der charmantesten Gastgeberin von ganz Elsass-Lothringen! Wann darf ich Sie zum nächsten Abendessen erwarten?«
    »Sie hören von mir«, antwortete er, erhob sich, nahm Haltung an, knallte ein letztes Mal mit den Hacken und verließ das Haus. Gleich darauf hörte Helène Motorengeräusch, das sich schnell entfernte.
    Und dann hörte sie ein Kratzen an Tür. Adèle stand im Durchgang zum Salon und sah sie an. »Das war knapp«, sagte Helèneund hob ihr Glas, »danke! Und beste Grüße an die Marder.« Die beiden Frauen grinsten.
    Sie sprachen wenig, als sie am Tisch saßen, den Wein austranken und die Crème Brulée aßen. »Wie lange werden Sie noch in Lagarde bleiben?«, wollte Adèle wissen. Helène zuckte die Achseln. »Dasselbe könnte ich dich fragen«, erwiderte sie. Adèle dachte nach. »Solange Sie mich hier dulden, Madame«, antwortete sie dann. »Ich weiß nicht, wo ich sonst hin sollte. Wenn ich bloß wüsste, wo mein Vater ist.«
    Helène ergriff ihre Hand. »Das fragen sich viele in dieser Zeit«, sagte sie. »Väter, Söhne, Töchter – wo sind sie …?«
    Ein Geräusch an der Küchentür ließ

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