Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
Vom Netzwerk:
Mienen der überrumpelten Franzosen schildern – vor allem die des Funkers, den sie im Krankenzimmer überrascht hatten und dem vor Schreck die Nachricht aus der Hand gefallen war.
    »Wo sind die eigentlich alle hingekommen?«, fragte einer der Soldaten in die Runde. Keiner wusste es – nur eine der Damen berichtete, dass nicht weit entfernt ein Durchgangslager errichtet worden war. Es hätte in den letzten Wochen so viele Kriegsgefangene gegeben, dass es einen Transportstau gäbe.
    »Transportstau?«, fragte einer.
    »Na ja, die meisten werden ins Reich gebracht, um dort in den Munitionsfabriken zu arbeiten. Ihr braucht doch etwas, womit ihr schießen könnt! Oder wollt ihr mit bloßen Händen auf die Feinde losgehen?«
    »Auf die nicht«, sagte einer der Männer und erhob sich behände, »aber auf euch vielleicht …!« Die Frau sprang quiekend auf und floh lachend aus dem Raum, der Soldat folgte ihr. Gleich darauf hörte man die Tür des angrenzenden Schlafraums ins Schloss fallen.
    Wilhelm war wie elektrisiert gewesen von der Information über das Gefangenenlager. Er hatte nur einen Wunsch: Printemps zu finden und von ihm zu erfahren, was er über Lagarde, Adèle und Helène wusste. Als die Damen sich spät in der Nacht zum Gehen anschickten, fragte Wilhelm nach dem genauen Standort des Lagers. »Du könntest es von hier bequem zu Fuß erreichen, wenn nicht die Wege vom Regen vollkommen aufgeweicht wären«, erklärte diejenige, die zuvor bereits davon berichtet hatte. »Es ist keine zwei Stunden Fußmarsch entfernt. Sie haben einfach einen Acker eingezäunt, da drinnen sitzen die Franzosen. Dumm für sie, dass es in den letzten Tagen so viel geregnet hat, sie tun mir beinahe leid.« Dann beschrieb sie Wilhelm den Weg.
    »Haben Sie sie gesehen?«
    Die Frau lächelte. »Wie charmant du bist – du siezt mich! Du bist mir gar nicht aufgefallen heute Abend. Vielleicht sollten wir das bei Gelegenheit nachholen?«
    Wilhelm nickte. »Sicher, sehr gern. Ich danke Ihnen für die Information und für Ihren Besuch. Die Männer konnten Abwechslung gebrauchen, übermorgen ist es vorbei mit dem Heldenurlaub.«
    Sie blickte ihn versonnen an. »Schade.«
    *
    Immer noch die Bilder des Traums vor Augen, erhob Wilhelm sich vom Bretterboden der Dachkammer, in die er sich zurückgezogen hatte, um dem Lärm der Kameraden zu entgehen. Er wollte wenigstens ein paar Stunden schlafen, bevor er zum Gefangenenlager aufbrach. Es dämmerte, als er das Haus verließ, eines der Pferde aus dem Stall führte, aufsattelte und in den Morgen hinausritt.
    Nach einer halben Stunde sah er das von hohen Stacheldrahtzäunen umgebene Lager im Nebel vor sich, das Eingangstor von zwei Wachhäuschen flankiert, vor denen Soldaten mit geschulterten Gewehren standen. Ansonsten war um diese Stunde niemand zu sehen außer den Gefangenen selbst, die den Innenraum mit Planen und Tüchern gegen den Regen zu schützen versuchten.
    Die Wachen grüßten Wilhelm knapp und schenkten ihm keine weitere Beachtung. Er stieg vom Pferd und fragte: »Wie viele habt ihr hier?«
    »Wieso, willst du uns welche abkaufen?«, erwiderte einer der beiden. »Wir hätten nichts dagegen, denn es gibt kaum genug zu fressen für sie. Müsstest sie also füttern …« Dann teilte er ihm mit, dass 800 Franzosen und Engländer sowie ein paar Dutzend Kanadier und Australier hinter dem Stacheldraht auf ihren Transport warteten.
    »Seit wann sind sie hier?«
    »Die letzten Franzosen sind vor einer Woche gekommen. AusDouaumont – du weißt schon: Das ist da, wo man nicht auf Deutsche schießt …«
    Die Wachsoldaten lachten, Wilhelm salutierte und ging dann am Zaun entlang. Die meisten Gefangenen schliefen, lagen auf dem Boden oder lehnten Rücken an Rücken, einige waren auf dem Weg zur Latrine, von der ein beißender Gestank über das Gelände wehte. Keiner schien Wilhelm zu beachten, dem es schwerfiel, die Männer auseinanderzuhalten: Ihre Bärte, das verfilzte Haar, die zerschlissenen Uniformen ließen sie zum Verwechseln ähnlich aussehen. Er umrundete das gesamte Areal, sah in die Gesichter der Männer. Die meisten drehten sich weg, wenn sie ihn bemerkten.
    Gerade als Wilhelm auf der anderen Seite wieder umkehren wollte, trat ein Mann an den Zaun. Es war nicht Printemps. Dennoch schien er zu wissen, wen er vor sich hatte, und sagte zu Wilhelm: »Ich soll dir etwas ausrichten.«
    »Wo ist er?«, fragte Wilhelm. »Geht es ihm gut?«
    Der Mann lächelte spöttisch. »Natürlich, es geht uns

Weitere Kostenlose Bücher