Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Polizeistation –, weil er einen Weißen angegriffen hat, der betrunken seine Frau vergewaltigt hatte. Sie kam dabei ums Leben. Der Deutsche erhielt drei Monate Kerkerhaft.«
»Lass uns zurückgehen«, sagte Wilhelm, »für heute habe ich genug gehört.« Unterwegs sagte er: »Du erzählst mir Dinge, die für dich gefährlich werden könnten. Du kennst mich nicht, wieso vertraust du mir?«
»Ihr Vater hat mir gesagt, ich solle Ihnen auf alles antworten, wonach Sie mich fragen. Außerdem kenne ich Sie, ich war schließlich mehrere Monate in Ihrem Haus in Berlin. Ich vertraue Ihnen.«
Wilhelm nickte langsam und sah den hochgewachsenen, stolzen Mann interessiert von der Seite an. Der erwiderte offen seinen Blick und sagte: »Morgen werden wir einen Ausritt machen, Ihr Vater wünscht, dass Sie das Umland kennenlernen. Dann werden Sie auch afrikanische Pferde kennenlernen, wir haben hier unsere eigene Rasse. Gute Pferde, sie werden Ihnen gefallen!«
Die Klinik
In dieser Nacht schwiegen die Krokodile. Wilhelm schlief noch tief, als es zaghaft an seiner Tür klopfte. »Herr, die Pferde warten«, hörte er eine Stimme sagen. Er stand auf, trat ans Fenster und sah im Dämmerlicht des frühen Morgens im Innenhof Aiauschi mit zwei Pferden. Er drehte sich langsam um, sah zu ihm hinauf und verbeugte sich. Wilhelm hob eine Hand, um zu signalisieren, dass er gleich kommen würde.
Als er aus seinem Zimmer trat, stand dort der livrierte Diener, wie immer wie aus dem Ei gepellt, und hielt ihm eine Tasche entgegen. »Verpflegung für die Reise, Herr.« – »Danke«, wollte Wilhelm antworten, dann fielen ihm Aiauschis Worte ein, und er überlegte es sich anders: Mit einem kurzen Nicken nahm er wortlos die Tasche, ging schnellen Schrittes die breite Freitreppe hinunter in den Hof. Eines der Pferde wandte ihm den Kopf zu, es war gesattelt, wie Wilhelm es von zu Hause gewohnt war, während das andere nur eine Decke über dem Rücken trug. Aiauschi bedeutete ihm aufzusitzen. Wilhelm sah, dass zu beiden Seiten der Satteltaschen je ein Gewehr steckte. »Wir könnten auf Tiere treffen, bei denen ein Gewehr hilfreich ist«, sagte Aiauschi.
Sie ritten durch die noch menschenleeren Straßen, Wilhelm schlug der heftige Wind, der in der Nacht aufgekommen war, ins Gesicht, Sand knirschte zwischen seinen Zähnen. Der Regen jedoch schien weiterhin auf sich warten zu lassen. Nachdem sie den Stadtrand erreicht hatten, verfiel Aiauschi in schnellen Trab, Wilhelm schloss zu ihm auf. »Je früher wir in die Berge kommen, desto eher wird uns der Sand in Ruhe lassen«, sagte Aiauschi und fügte hinzu: »Wenn es Ihnen recht ist, werden wir in einer Stunde rasten.« Obwohl er nicht gefrühstückt hatte, verspürte Wilhelm keinen Hunger, stattdessen eine angespannte Erwartung. »Wohin reiten wir?«
»Zunächst nach Anecho«, erwiderte Aiauschi, »und dann zur Eisenbahnlinie.« Anecho lag fünfzig Kilometer nördlich von Lomé. »Es ist der Kurort der Weißen«, erklärte Aiauschi und lächelte zum ersten Mal an diesem Morgen. »Das Krankenhaus dort ist das beste in ganz Afrika. Wer Malaria hat, lässt sich dort pflegen. Oder wer den Tropenkoller bekommt. Aber zunächst müssen wir über den Bergkamm dort vor uns.«
Wilhelm hob den Kopf und sah ein dichtes, grünes Blätterdach in einiger Entfernung vor ihnen ansteigen. Bevor sie den Palmenwald erreichten, ritten sie durch ausgedehnte Maisplantagen, in denen Schwarze Unkraut hackten. »Bis vor kurzem gab es hier nur Löwen und Leoparden«, sagte Aiauschi, »hin und wieder kehren sie zurück und warten auf einen günstigen Augenblick. Sie machen es wie bei der Antilopenjagd: Wer die Gruppe verlässt, wird ihre Beute.«
»Du meinst: Löwen als Menschenfresser?«, fragte Wilhelm.
Aiauschi sah ihn an. »Sagen wir: Negerfresser«, erwiderte er und deutete dann nach oben in Richtung Osten. »Auf der Anhöhe dort werden wir frühstücken.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »… wenn es Ihnen recht ist.« Wilhelm nickte. »Du kennst den Weg, entscheide bitte, ohne mich jedes Mal zu fragen, ob es mir recht ist.«
»Sofern Sie darauf verzichten, mich um etwas zu bitten. Ihr Befehl genügt.«
Sie lächelten sich an, und Wilhelm nickte.
»Wem gehört das Land?«, fragte Wilhelm, nachdem sie eine Weile durch endlose Plantagen geritten waren.
»Bei uns sagt man so: Zuerst besaßen die Neger das Land, und die Weißen hatten die Bibel. Jetzt haben die Neger die Bibel, und die Weißen besitzen das
Weitere Kostenlose Bücher