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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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denn?«
    »Man könnte ihn zum Beispiel mal zum Essen einladen, vorausgesetzt, Mutter ist damit einverstanden.«
    »Ich werde darüber nachdenken«, sagte Elisabeth und erhob sich zum Gehen. »Schlaf gut und träum nicht von den bösen Männern mit ihren dicken Zigarren. Die kochen auch nur mit Wasser.«
    »Wenn du dich da mal nicht täuschst«, antwortete Wilhelm leise, als sie die Tür hinter sich ins Schloss zog.
    *
    Adolf Mensing erschien zu Wilhelms Erleichterung pünktlich und nüchtern. Der Paukboden im »Arminia«-Vereinslokal war hergerichtet für den Kampf, Waffen und die Fechtkleidung lagen bereit: desinfizierte Säbel, Schutzwesten und Armstulpen. Der Gegner, Meister der Germania-Verbindung mit einem von Schmissen verwüsteten Gesicht, war erstaunlich klein und leicht, ein Federgewicht im Vergleich zu dem bulligen Mensing, der sich heute Wilhelm gegenüber ausgesucht höflich verhielt.
    Elf Männer stellten sich im Kreis um die beiden Fechter auf,die ihre Kampfkleidung angelegt hatten: Neben den beiden Sekundanten zwei Testanten, die auf die Korrektheit der Säbelführung zu achten hatten, zwei Protokollanten, die die Punkteliste führten, zwei Schleppfüchse, die in den Kampfpausen die Waffen der Kämpfer hielten, sowie zwei Ärzte. Und schließlich der Unparteiische, der nun die obligatorische Ansprache hielt: »Meine Herren, es geht nicht darum, den Gegner zu besiegen, sondern Ihren inneren Schweinehund. Was von jetzt an zählt, sind Tapferkeit und Charakter. Ich will keinen von Ihnen zurückweichen sehen, und ich will einen sauberen Kampf. Jeder Schlag auf eine andere Körperpartie als auf den Kopf wird mit Punktabzug bestraft. Gehen Sie in Position!«
    Die Anwesenden traten zurück, Mensing und von Politz – so hieß der Gegner – stellten sich frontal gegenüber auf, ein Arm hinter dem Rücken, den anderen hoch erhoben. Die Auslosung hatte Mensing den ersten Angriffsschlag zugesprochen. Wilhelm, der seitlich neben ihm kniete, gerade so weit außerhalb des Aktionsradius der Säbel, dass er nicht getroffen werden konnte, sah, wie sich Mensings Kiefernmuskeln spannten und er die Lippen aufeinanderpresste. Vor Anspannung hielt er den Atem an. Das war der erste Fehler. Kurz bevor er zum Schlag ansetzte, weiteten sich seine Augen für einen Sekundenbruchteil. Das war der zweite Fehler. Dann verlagerte er sein Gewicht auf den rechten Fuß, was dem Gegner signalisierte, dass er auf die rechte Kopfhälfte zielen würde. Das war der dritte Fehler. Von Politz parierte den Schlag mühelos und platzierte dann blitzschnell zwei Säbelhiebe gegen Mensings linke Wange. Blut spritzte hervor. Mensing verzog keine Miene, sondern setzte zwei Schläge in halber Höhe in Richtung Nase des Gegners, die dieser ebenso problemlos abfing wie den ersten Hieb. Zur Überraschung der Zuschauer verzichtete er auf den nächsten Angriffsschlag und überließ ihn Mensing, der die Gelegenheit sofort ergriff und mit dem ausgestreckten Säbel auf das Gesicht des Gegners zielte. Durch schnelles Zurückweichen entging der einer Verletzung, der Unparteiische jedoch schritt augenblicklich ein. »Punktabzug!«, rief er. »Stechen verboten!« Und dann forderte er mit einer Handbewegung die Ärzte an. Mensings Wunden wurden kurz untersucht, dann wurde der Kampf wieder freigegeben. Von Politz hatte nun das Recht der ersten Attacke. Wilhelm sah die Unentschlossenheit in Mensings Bewegung ebenso schnell wie der Gegner, der die Lücke in der linken Deckung erkannte und den Säbel quer über Mensings Kopf zog. Binnen Sekunden war dieser blutüberströmt, blieb jedoch unbeweglich stehen. Beide Ärzte traten an ihn heran, und nach einem kurzen Blick der Verständigung brachen sie den Kampf ab. »Er muss ins Krankenhaus«, sagte einer von ihnen, »die Wunde ist zu tief, wir können sie hier nicht nähen.«
    Wilhelm trat vor Mensing. »Ich begleite ihn«, sagte Wilhelm zu den Ärzten. Einige Minuten später verließen sie das Lokal, Mensing noch in Kampfkleidung mit einem rot durchtränkten Kopfverband. Seine Kräfte schwanden, Wilhelm musste ihn stützen. Es war zwar nur ein kurzer Weg, trotzdem brauchten sie fast eine halbe Stunde, denn sie mussten immer wieder stehen bleiben, um Applaus und Bravo-Rufe von Passanten entgegenzunehmen. »Du hattest recht«, sagte Mensing, als sie schließlich das Krankenhaustor erreichten, »ich bin nicht in Form. Die Frauen und der Alkohol – ich rate dir, Kleiner: Lass die Finger davon. Und jetzt: Danke! Den Rest

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