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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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er da. Es stand am nächsten Tag sogar in der Zeitung. Wir waren in 400 Metern Höhe, und plötzlich war es, als würde uns eine Riesenfaust packen und einmal kräftig durchschütteln. Es waren Frauen und Kinder in der Gondel, das Geschrei kannst du dir vorstellen. Der Kapitän hat sie alle beruhigt: Uns kann nichts passieren, sagte er zu den Leuten, dieses Luftschiff trägt den Namen des Kaisers, und das sagt ja wohl alles …«
    »Und, ist was passiert?«
    »Würde ich dann jetzt hier neben dir stehen? Wenn der Kaiser etwas baut, dann hält es den wildesten Stürmen stand.«
    Wilhelm lächelte, die Begeisterungsfähigkeit seines Freundes hatte ihm schon immer gefallen. »Komm«, sagte er, »Kasino-Zeit.«
    Im Offizierskasino war an langen Tafeln eingedeckt, Rekruten servierten das Abendessen, Bier floss in Strömen. Man hatte die Uniformjacken gelockert und die Kragenknöpfe geöffnet, die Stimmung war ausgelassen. »Schön, wieder hier zu sein!«, schrie von Trenck in Wilhelms Ohr. »Hier weiß man noch, wer man ist und wozu man da ist. Zum Beispiel zum Biertrinken …«
    Er winkte der Ordonnanz, sofort wurden zwei neue volle Krüge gebracht. Wilhelm bedeckte sein Glas mit einer Hand, als Robert ihm nachschenken wollte. »Du weißt, dass wir morgen ins Gelände müssen«, sagte er, »ich für meinen Teil habe genug für heute. Ich gehe vor dem Zapfenstreich noch mal nach den Pferden sehen.«
    »Dann nimm deinen Krug mit, vielleicht möchten die Gäule auch etwas Bier!«, rief Robert und lachte übermütig.
    Wilhelm erhob sich. »Wir sehen uns im Schlafsaal, falls du dann überhaupt noch etwas sehen kannst. Du weißt ja: Nach dem zwölften Bier setzt allmähliche Erblindung ein …«
    Der Weg vom Offizierskasino zu den Stallungen war verschneit,die wenigen Gaslaternen beleuchteten ihn nur spärlich. Wilhelm hätte ihn auch mit geschlossenen Augen gefunden, er brauchte nur seiner Nase zu folgen: Der Geruch von Pferden zog ihn unwiderstehlich an. Das hölzerne Tor des langgestreckten Gebäudes, in dem die 200 Pferde der Abteilung standen, war nicht verschlossen. Wilhelm trat ein.
    Eine lange Reihe von Boxen zog sich durch den Stall, aus denen Hufscharren, Schnauben oder leises Wiehern zu hören war. Nichts beruhigte Wilhelm mehr als die Atmosphäre eines nächtlichen Stalls, am liebsten hätte er hier sein Nachtlager aufgeschlagen. Eine Weile stand er still und lauschte, dann stieß er einen leisen Pfiff aus. In einer Box in der Mitte des Ganges erschien der Kopf eines Pferdes. Wilhelm lächelte. »Du hast auf mich gewartet, stimmt’s?«, sagte er leise. Das Pferd sah ihn an und schnaubte, sein warmer Atem stieg in der kalten Luft empor und schwebte einen Moment über seinem Kopf, ehe er sich auflöste. Wilhelm ging zu ihm und strich ihm über die Nüstern.
    »Bis morgen«, sagte er dann und machte sich auf den kurzen Weg zum Mannschaftsgebäude, das den Stallungen gegenüberlag. Durch die hell erleuchteten Fenster des Kasinos drangen die Trinklieder der Kameraden.
    Die Potsdamer Heide lag am nächsten Tag wie unter einem Gazeschleier, eine hauchdünne Schneeschicht hatte sich über den noch weichen, nicht gefrorenen Boden gelegt. Die Reiter trabten in Viererreihen, der schwere Boden schmatzte unter den Hufen der Pferde. Zur Linken und zur Rechten der Husaren zogen, in ihr neues kaiserliches Feldgrau gewandet, die Infanteristen, ihre Gewehre geschultert. Gegen die leuchtend bunten Uniformen der Husaren wirkten sie wie graue Mäuse. Vorweg zogen Pferdegespanne schwere Kanonen, auf hölzernen Wagen wurden Maschinengewehre transportiert.
    Man war auf dem Rückmarsch, die Übung war erfolgreich verlaufen, alle Einheiten hatten plangemäß ihre Positionen bezogen, die Kanonen die »feindlichen« Stellungen sturmreif geschossen, danach hatten die Reiter und zum Schluss die Infanterie den Feind überrollt und vernichtend geschlagen.
    Der schwere Boden machte allen zu schaffen. »Wenn es gegen Frankreich geht, wird uns so etwas erspart bleiben«, sagte Robert von Trenck, der neben Wilhelm ritt, »der Angriffsplan sieht vor, im Spätsommer einzumarschieren und noch vor dem Winter vor Paris zu stehen. Über Belgien soll es gehen, damit rechnen die Franzosen nicht, dann geht es ruck, zuck.«
    Wilhelm warf ihm einen scharfen Blick zu. »Solche Dinge – nicht hier! Das ist geheim! Woher hast du das überhaupt?«
    »Na, so etwas erfährt man eben, wenn man lange genug im Kasino ausharrt«, erwiderte von Trenck. »Nach genügend

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