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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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»Ich habe nicht das geringste Taktgefühl.«
    Frau Kupka lachte schallend, als es klingelte. »Das müssen sie sein, pünktlich wie die Stehgeiger!« Sie eilte zur Tür. Als das Paar eintrat, stockte Elisabeth der Atem.
    Luise hatte seit dem letzten Arztbesuch mit sich gerungen. Sie wollte die Leute zwar nicht kennenlernen, die künftig die »Eltern« ihres Kindes sein würden, gleichzeitig verspürte sie große Neugier. Wenigstens sehen wollte sie sie, wenn auch nur ganz kurz.
    Sie war eine Stunde vor dem Termin eingetroffen und hatte sich in einen Hauseingang auf der anderen Straßenseite gestellt. Fünf Minuten vor vier sah sie Elisabeth um die Ecke kommen, die eilig das Treppenhaus betrat. Luise hatte während der nächsten fünf Minuten das Gefühl, ihr Herz müsse stehenbleiben vorAufregung. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und beachtete zunächst die schwarze Limousine nicht, sie hielt weiter Ausschau nach einem herrschaftlich gekleideten Paar, das zu Fuß erscheinen würde. Dann sah sie aus dem Augenwinkel einen Mann aus dem Auto steigen, der ihr entfernt bekannt erschien. Als er den Wagenschlag öffnete und eine Frau ausstieg, zuckte sie zusammen.
    »Elisabeth?«, rief Helene Bechstein und blieb wie angewurzelt in der Tür des Büros stehen. Elisabeth war aufgesprungen und rang nach Atem. »Sie? Sie wollen das Kind?«
    Frau Kupka blickte irritiert zwischen den beiden hin und her. Edwin Bechstein hatte sich langsam zurückbewegt und schien das Büro fluchtartig verlassen zu wollen. »Sie kennen sich?«, fragte Frau Kupka. »Das – das wusste ich nicht …!«
    »Woher auch«, sagte Helene Bechstein. »Bei diesen Geschäften werden keine Namen genannt. Aber – Elisabeth, wir hatten keine Ahnung!«
    »Sie ist nicht die Mutter«, beeilte sich Frau Kupka zu erklären, »sie vertritt die Interessen der jungen Frau, die nicht persönlich anwesend sein möchte. Sie ist sozusagen ihre – ihre Anwältin.«
    »Anwältin?«, meldete sich jetzt Edwin Bechstein zu Wort. »Ich glaube, meine Liebe, wir sollten schleunigst dieses Etablissement verlassen. Mir war von Anfang an nicht wohl bei der ganzen Sache.«
    »Hören Sie zu«, sagte Elisabeth, die sich als Erste wieder gefasst hatte, »ich mache das, um dem Mädchen zu helfen. Ich möchte nicht, dass sie an Menschen gerät, die sie übervorteilen oder dem Kind schaden könnten. Sie wissen sicherlich, welche widerlichen Blüten der Kinderhandel in Berlin treibt.«
    »Kinderhandel?«, fragte Helene Bechstein und trat auf Elisabeth zu. »Wir handeln nicht mit Kindern! Wir können keine Kinder bekommen und wünschen uns dennoch nichts mehr als das. Also bitte, überleg dir künftig deine Wortwahl.« Dann fügte sie versöhnlicher hinzu: »Wer ist das Mädchen – ich meine: die junge Frau –, die bald Mutter werden wird? Woher kennst du sie?«
    »Kennen Sie Luise, unser Hausmädchen?«, entgegnete Elisabeth.
    Die Bechsteins sahen sie einen Moment lang verdutzt an. »Aber«, sagte Helene Bechstein dann, »die haben wir doch vor gar nicht langer Zeit noch gesehen! Von einer Schwangerschaft war da nichts zu bemerken.«
    »Sie ist aber schwanger und wird noch in diesem Jahr ihr Kind bekommen, so Gott will. Und ich will, dass es in gute Hände gerät.«
    »Wissen deine Eltern von der Sache?«
    »Natürlich nicht! Sie hätten sie längst vor die Tür gesetzt – ein schwangeres Hausmädchen, und das in einem so sittsamen Haushalt!«
    »Setzen wir uns erst mal«, meldete sich Edwin Bechstein, »wenn wir schon hier sind, wollen wir die ganze Geschichte hören.
    »Da gibt es keine Geschichte«, sagte Elisabeth, nachdem sie an einem langen Holztisch Platz genommen hatten, »sie ist an einen weniger sittsamen Mann geraten. Er hat sie – sagen wir mal: erpresst.«
    »Ich habe noch nie gehört, dass man von Erpressung Kinder bekommt«, erwiderte Edwin Bechstein.
    »Sei nicht so naiv, Edwin«, sagte seine Frau scharf, »es ist ja wohl klar, was sie meint. Womit hat er sie denn in der Hand gehabt? Hat sie etwas ausgefressen?«
    Elisabeth schüttelte den Kopf und schwieg.
    »Was denn dann?«
    »Er ist schlichtweg ein Schwein«, brauste Elisabeth auf, »solche Männer soll es geben.«
    »Also, bitte!« Edwin Bechstein sprang empört auf. »Das muss ich mir nicht anhören!«
    »Setz dich«, zischte Helene Bechstein. »Natürlich gibt es solche Männer, wer könnte das wohl abstreiten?«
    »Wie dem auch sei«, hob Frau Kupka an, »das Kind kommt in drei bis vier Wochen zur Welt,

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