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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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gleich. Und nur dieses eine Mal. Man wird Sie zu ihm bringen. Meine Bedingung: Wenn Sie irgendetwas über die Tochter dieses Mannes wissen, möchte ich es umgehend erfahren. Und sollte ich hören, dass Sie etwas über sie wissen und es mir verschweigen, dann glaube ich nicht, dass ich meine Kollegen von der Polizei lange davon abhalten kann, ihre Mannschaftsquartiere dort zu nehmen, wo sie es für richtig halten.«
    Helènes Gespräch mit Printemps war kurz gewesen. Man brachte sie zur Kaserne in einen winzigen, fensterlosen Kellerraum und ließ sie dort warten. Printemps wurde mit einer Augenbinde hereingeführt, die ihm erst abgenommen wurde, als er vor Helène stand. Als er sie erkannte, wandte er sein Gesicht ab. Der Soldat, der hinter ihm stand, stieß ihm seinen Gewehrkolben in den Rücken: »Etwas mehr Respekt!«, zischte er. Helène hob besänftigend eine Hand, doch bevor sie etwas sagen konnte, fragte Printemps mit rauer Stimme: »Wo ist meine Tochter?«
    »Madame stellt hier die Fragen!«, fuhr der Soldat ihn an und schlug ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf.
    Helène sprang auf. »Hören Sie sofort auf!«, schrie sie und trat auf den Soldaten zu. »Behandelt man so einen Gefangenen?«
    »Wache!«, rief der Soldat, und zwei Uniformierte traten ein. »Der Besuch ist beendet.« Die beiden Männer griffen Printemps an den Ellenbogen und schoben ihn aus dem Raum.
    »Ich werde Bericht erstatten müssen«, sagte der Soldat zu Helène, als er an ihr vorbeiging.
    Helène ahnte nicht, wie nah Adèle die ganze Zeit gewesen war. Auch als sie die Kaserne verließ, um in den Wagen zu steigen, der sie nach Lagarde zurückbringen sollte, bemerkte sie Adèle nicht sofort. Sie sah nur auf der anderen Straßenseite einen jungen Mann an einer Laterne lehnen, der eine graue Schirmmütze trug. Während der Chauffeur ihr die Tür aufhielt, schlenderte der junge Mann über die Straße. Als er neben Helène war, bückte er sich plötzlich und hob etwas von der Straße auf. »Das ist Ihnen zu Boden gefallen, Madame.« Helène schaute irritiert in das Gesicht, das jetzt dicht vor ihrem war, und hätte fast aufgeschrien, als sie Adèle erkannte. Doch die fasste schnell Helènes Handgelenk und formte tonlos mit den Lippen die Frage: »Lebt er?«
    Helène nickte und sagte: »Danke, sehr aufmerksam von Ihnen, junger Mann.« Dann stieg sie in den Wagen.
    »Wie hat sie ausgesehen?«, fragte Wilhelm atemlos, nachdem seine Mutter ihm von der Begegnung berichtet hatte. »Hatte sie irgendwelche … Verletzungen?«
    Helène schüttelte den Kopf. »Ich konnte nur ihr Gesicht sehen, und das sah aus wie immer.«
    »Wie immer?«, fragte Wilhelm. »Wann haben Sie sie denn zuletzt gesehen? Sie wissen ja gar nicht, wie sie aussieht – heute meine ich.«
    Helène lächelte. »Die Augen, mein Junge, die Augen bleiben stets dieselben. Da kann man sich verkleiden, wie man will.«
    *
    Adèle hatte dem Wagen lange hinterhergesehen, in dem Helène davonfuhr. Helènes Antwort hatte sie erleichtert. Die Nachrichten über die Gefängnisse waren beunruhigend in der letzten Zeit. Immer wieder wurden Gefangene der Widerstandsbewegung in andere Orte verlegt, da die Behörden Befreiungsversuche befürchteten. Es kursierten Gerüchte über geheime Hinrichtungen; offiziell gab es keine Informationen, nicht einmal die Verhaftungen wurden bestätigt. Nachdem Adèle erfahren hatte, dass ihr Vater in die Zentrale der deutschen Besatzungspolizei nach Straßburggebracht worden war, hatte sie hier bei Freunden der Familie Unterschlupf gesucht.
    Nachdem der Wagen außer Sichtweise war, überquerte sie die Straße und machte sich auf den Weg zur Holzhandlung der Familie Dreyfus, enge Freunde der Printemps, wo sie, als Lehrjunge verkleidet, lebte. Seit mehr als einem Monat war sie schon in der Stadt, bisher war sie niemandem aufgefallen, sie bewegte sich frei und unbelästigt. Einmal am Tag, meistens am späten Nachmittag, ging sie ins Zentrum, setzte sich in ein Café gegenüber der Polizeizentrale und beobachtete das Kommen und Gehen auf der anderen Straßenseite. Pünktlich um sechs Uhr erschien die große, schwarze Limousine, in dem der Mann saß, den alle fürchteten. Er machte es sich auf dem Rücksitz bequem, zündete sich eine Zigarette an und sah aus dem Fenster: Der Statthalter fuhr nach Hause. Mehr als einmal hatten sich ihre Blicke getroffen, wenn der Wagen an dem Café vorüberfuhr.
    »Sie scheinen auf diesen Moment zu warten, junger Mann«, sagte der

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